Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mädchen auf den Klippen (German Edition)

Das Mädchen auf den Klippen (German Edition)

Titel: Das Mädchen auf den Klippen (German Edition)
Autoren: Anne Alexander
Vom Netzwerk:
den Klippen und dem Meer werden sollen, nun begann sie ohne jede Skizze das Gesicht eines kleinen, blonden Mädchens auf die Leinwand zu bannen. Sie arbeitete so konzentriert, dass sie alles um sich herum vergaß und nur noch das Bildnis dieses Kindes für sie ex istierte.
    Der Morgen zog bereits herauf, als die junge Frau erschöpft den Pinsel fallen ließ. Langsam kam sie zu sich. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie fast die ganze Nacht gemalt hatte. Sie starrte auf das Bild und konnte es nicht fassen, wie es ihr gelungen war, bei Lampenlicht etwas so zauberhaftes zu schaffen. Das Kind wirkte, als es lebendig. Seine Augen strahlten es an. Auch auf dem Bild, das sie von ihm gemalt hatte, trug es ein geblümtes Kleid und eine Strickjacke. Mit den Füßen stand es im feuchten Sand. Im Arm hielt es eine Puppe. Es war nicht dieselbe Puppe, die das Kind auf dem Bild im Gästezimmer bei sich trug, sondern eine aus Vinyl mit blonden, halblangen Haaren und braunen A ugen.
    „Sie heißt Biggy!
    Janice fuhr entsetzt herum. Höchste Zeit, dass du dich noch etwas hinlegst, dachte sie. Jetzt hörst du tatsächlich schon Stimmen, die es gar nicht geben kann.
    Aber hatte sie sich diese Stimme wirklich eingebildet? Die junge Frau erinnerte sich daran, von Davids Stimme aufgewacht zu sein. Nun gut, da hatte sie geträumt. Es verging ohnehin kaum eine Nacht, in der sie nicht von ihrem Sohn und ihrem Mann träumte.
    Janice entdeckte den halbvollen Milchbecher, der noch immer auf dem Tisch stand. Sie schaute an sich hinunter. Sie trug keine Schuhe und hatte sich über ihr Nachthemd nicht einmal einen Morgenrock gezogen. Kein Wunder, dass sie mit einem Mal zu frieren begann.
    Biggy? Wie kam sie nur auf den Namen Biggy? Sie kannte niemanden, der so hieß. Eilig verließ sie das Atelier und schloss die Tür hinter sich ab, bevor sie die Treppe zu ihrem Schlafzimmer hinaufstieg, um sich noch für ein paar Stunden hinzulegen.
    10. Kapitel
    Janice hatte einen ausgiebigen Strandspaziergang gemacht. Sie war entlang der Klippen bis nach St. Vincent gelaufen, hatte dort ein Eis gegessen und war später wieder den ganzen Weg durch Sand und seichtes Wasser zurückgegangen.
    An und für sich hatte die junge Frau gar nicht so weit gehen wollen, nur das Wetter war so schön gewesen und es tat ihr gut zu laufen.
    Sie dachte nicht mehr so oft an den schrecklichen Unfall, der ihr Mann und Sohn genommen hatte. Meistens fielen ihr jetzt all die kleinen, schönen Begebenheiten ein, die sie mit Edward und David erlebt hatte. Sie sah sich mit den beiden beim Urlaub in Schottland, oder beim Geburtstag ihres Schwiegervaters in Canterbury. Eine Weile hatte sie auf einem Findling gesessen, die Augen geschlossen und sich vorgestellt, mit Edward und David hier den Sommer zu verbringen.
    Es wurde Zeit, dass sie nach Hause kam. Dr. Thornberry hatte sich für den frühen Nachmittag angesagt. Sie hatten beschlossen, gemeinsam zu Mittag zu essen. Eigentlich hatte sie kochen wollen, doch er hatte darauf bestanden, sie in die ‚Arche‘ einzuladen.
    Wie aus heiterem Himmel entdeckte Janice mit einem Mal wenige Meter vor sich das kleine Mädchen. Es stand am Wasser. Auch diesmal trug es ein geblümtes Kleid und eine Strickjacke. Seine Beine steckten in hellen Turnschuhen. Im Arm hielt es die Puppe, die sie in jener Nacht gemalt hatte. Sie konnte sich nicht erinnern, die Kleine jemals anders gekleidet gesehen zu haben.
    Vorsichtig ging sie ein paar Schritte näher. Ihr fiel auf, wie ordentlich die blonden Haare der Kleinen wirkten. Der Wind, der über den Strand strich, schien sie nicht zu berühren, während er ihre eigenen zerzauste.
    „Hallo“, sagte sie.
    Das Kind wandte ihr sein Gesicht zu, drehte sich dann jedoch um und rannte davon.
    „Kleines, du musst nicht vor mir fliehen!“, rief Janice betroffen. Kurz entschlossen folgte sie dem Mädchen. Obwohl sie rannte, gelang es ihr nicht, es einzuholen und plötzlich war es wie eine Luftspiegelung von einem Augenblick zum anderen verschwunden.
    Das gibt es nicht, dachte Janice entgeistert. Sie lief ein Stück auf die Höhlen zu, die unweit des Strandes die Felsen wie einen Schweizer Käse durchlöcherten. Nein, die Kleine konnte in keine der Höhlen hineingelaufen sein. Am Vortag hatte es geregnet und der Boden vor den Höhlen war noch genauso glatt, als sei gerade erst Wasser über ihn gelaufen. – Wohin konnte sie verschwunden sein?
    Die junge Frau kehrte nach Hause zurück. Nachdem sie den Klippenpfad
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher