Das Mädchen auf den Klippen (German Edition)
gestolpert war. Er fühlte sich wie eine Pu ppe an.
Ohne lange nachzudenken, hob die junge Frau die Puppe auf, dann tastete sie sich in die Nische, in der sie das Kind gesehen hatte. Sie war leer.
Janice gab es auf. Mit der Puppe in der Hand verließ sie die Höhle. Das schwache Mondlicht vor ihrem Eingang, wies ihr den Weg. Sie machte sich Sorgen um das Kind. Wo konnte es hingelaufen sein? Gab es in dieser Höhle womöglich einen dieser geheimnisvollen Gänge? Andererseits war sie unter Umständen einem Phantom gefolgt. – Und die Puppe?
Janice bückte sich und trat in das Mondlicht hinaus. Als ihr Blick auf die Puppe fiel, schrie sie erschrocken auf. Die Puppe, die sie in der Höhle gefunden hatte, wies nur noch entfernte Ähnlichkeit mit der des kleinen Mädchens auf. Sie war völlig verschmutzt, ihr Gesicht und die Kleidung vom Meerwasser verfärbt. Zudem fehlten ihr die meisten Haare und eines der Beine war von irgendeinem Tier angefressen wo rden.
Im ersten Moment wollte Janice die Puppe fallen lassen, stattdessen entschloss sie sich, sie nach Hause mitzunehmen. Sie war sich ganz sicher, dass sie Maureen gehörte. In St. Vincent hatte sie gehört, dass Joan Winslow am Geburtstag ihrer Tochter ermordet worden war. Es konnte durchaus sein, dass Maureen diese Puppe zu ihrem G eburtstag bekommen hatte.
Müde und dennoch bis ins Innerste aufgewühlt, kehrte Janice zum Ufer zurück. Sie wollte sich schon ihrem Haus zuwenden, als sie sich umdrehte und nach St. Vincent schaute. Bis auf die Straßenbeleuchtung lag der Ort in tiefster Dunkelheit. Ihr Blick wanderte zur Kirche hinauf, der Turm im Mondlicht silbern aufleuchtete. Eine dunkle Gestalt stand nahe dem Felsabsturz und schien zu ihr hi nunterzublicken.
Janice spürte, wie sie zu frösteln begann. Die Puppe in der Hand eilte sie am Meer entlang. Sie hatte Angst, entsetzliche Angst und sie ahnte, dass sie dazu auch allen Grund hatte.
13. Kapitel
Dr. Walter Thornberry bezog eines der zehn Fremdenzimmer, die der Gasthof der Attards zu bieten hatte. Das Zimmer machte einen überaus freundlichen Eindruck. Es besaß außer dem Bett, über dem eine Häkeldecke lag, einen geräumigen Schrank, zwei Sesseln und einen Tisch. Der Boden, der sich fast unmerklich der Mitte zu neigte, wurde von einem bunten Teppich bedeckt. Vor den beiden Fenstern hingen blütenweiße Gardinen. Jetzt standen sie offen und ließen den Duft der Geranien herein, die in den Blumenkästen vor ihnen wuc hsen.
„Gefällt Ihnen das Zimmer, Doktor Thornberry?“, erkundigte sich eines der beiden Mädchen, die für die Attards arbeiteten.
„Ja.“ Walter nickte. Er schaute zur Uhr. „Kann ich noch etwas zu essen bekommen?“ Es war für den Lunch schon reichlich spät, für den Tee jedoch noch zu früh und er wusste, dass es in den Landgasthäusern meistens zwischen den Mahlzeiten höchstens Saft oder Sprudel gab.
„Ich werde sehen, was ich machen kann“, versprach das Mädchen. „Wo möchten Sie denn e ssen?“
„Unten auf der Terrasse“, antwortete Dr. Thornberry. Janice Baker erwartete ihn erst gegen fünf. Er wollte nicht früher, als erwartet kommen, obwohl er an und für sich überzeugt war, dass es ihr nichts ausmachen wü rde.
Als der junge Arzt eine halbe Stunde später die Treppe hinunterstieg, sah er, dass die Tür zum Innenhof des Hauses offen stand. Neugierig ging er näher. Neben dem Kücheneingang gewahrte er den achtjährigen Sohn der Attards. Er war damit beschäftigt, einen Eimer voll Ka rtoffeln zu schälen.
Eine weiße Schürze über seiner Hose, trat Brian Attard aus der Küche. Walter konnte zwar nicht verstehen, was der Mann zu seinem Sohn sagte, doch das Kind zuckte zusammen und beugte sich noch tiefer über seine Arbeit. Es wagte nicht einmal aufzuschauen, als sein Vater bereits in die Küche zurüc kgekehrt war.
Dieser Attard scheint wirklich ein lustiger Zeitgenosse zu sein, dachte Dr. Thornberry und ging auf die Terrasse hinaus, wo ihm Norma belegte Brote und Ale servierte.
Kurz vor fünf machte sich der junge Arzt auf den Weg nach Seerose House. Janice hatte ihn vor drei Tagen angerufen und ihm von der Puppe erzählt, die sie in der Höhle gefunden hatte.
Da Walter ohnehin vorgehabt hatte, seinen Urlaub in ihrer Nähe zu verbringen, hatte er sich ein Zimmer in St. Vincent genommen. Je länger er die junge Frau kannte, umso wichtiger wurde sie für sein Leben. Auch wenn er sich in gewisser Weise schuldig fühlte, weil er genau spürte, dass er
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