Das Mädchen auf den Klippen - Riley, L: Mädchen auf den Klippen - Girl on the Cliff
auf Ihre Anfrage über den Verbleib von Feldwebel Sean Michael Ryan habe ich die traurige Pflicht, Ihnen mitzuteilen, dass die Jacke mit seiner Erkennungsmarke und seinen Ausweispapieren in einem feindlichen Schützengraben an der Somme in Frankreich entdeckt wurde. Obwohl seine sterblichen Überreste bisher nicht gefunden werden konnten, gehen wir bedauernd davon aus, dass Feldwebel Ryan im Kampf für sein Land gefallen ist.
Wir übermitteln Ihnen und seiner Familie, die wir gesondert benachrichtigen, unser aufrichtiges Beileid. Feldwebel Ryan hat sich so tapfer geschlagen, dass er in Kriegsberichten erwähnt wurde.
Es wird erwogen, Feldwebel Ryan posthum für seine Tapferkeit auszuzeichnen.
Wir wissen, dass das ein schwacher Trost für den Verlust eines geliebten Menschen ist, aber der Krieg konnte nur durch Männer wie Feldwebel Ryan in zufriedenstellender Weise beendet werden. Ohne sie wäre ein Frieden nicht möglich gewesen.
Hochachtungsvoll,
Edward Rankin
Mary brachte Anna in die Küche und bat Mrs. Carruthers, eine Stunde lang auf sie aufzupassen, weil sie einen Spaziergang machen wollte.
Mrs. Carruthers’ Gesicht nahm einen mitfühlenden Ausdruck an, als sie Marys leichenblasses Gesicht sah.
»Schlechte Nachrichten?«
Mary nickte. »Ich brauche ein bisschen frische Luft«, sagte sie mit leiser Stimme.
»Nimm dir frei, so lange du möchtest. Anna und ich, wir kommen schon zurecht, was?«, meinte Mrs. Carruthers mit einem Blick auf die Kleine. »Tut mir leid für dich, meine Liebe.« Sie legte eine Hand auf Marys Schulter. »Er war ein anständiger Kerl. Ich weiß, wie sehr du all die Jahre auf seine Rückkehr gewartet hast.«
Mary nickte benommen und trat in den Eingangsbereich, um Mantel und Stiefel anzuziehen. Mrs. Carruthers’ Mitleid hatte ihr die Tränen in die Augen getrieben.
Mary setzte sich in die Gartenanlage gegenüber, wo sie spielende Kinder und Arm in Arm vorbeischlendernde Paare beobachtete. Diese neue Welt im Frieden, die es den Menschen erlaubte, nach Glück zu streben und schlichte Freuden zu genießen, war eine Welt, zu deren Erhalt und Schutz Sean beigetragen hatte, ohne selbst an ihr teilhaben zu können.
Mary saß immer noch auf der Bank, als die Dämmerung hereinbrach und die anderen Besucher den Garten verließen. Sie durchlitt Kummer, Angst, Wut … und vergoss mehr Tränen als je zuvor in ihrem Leben.
Den Brief las sie bestimmt zwanzigmal.
Sean … dieser Riese von einem Mann … So stark und so jung …
Tot.
Weg. Kein sanftes Lächeln oder Lachen mehr …
Und keine Liebe.
Als Mary sich ein wenig beruhigt hatte, dachte sie darüber nach, was das für sie bedeutete. Sie waren nicht verheiratet gewesen, also stand ihr keine Witwenrente zu. Das Leben, das sie sich erträumt hatte, würde nicht stattfinden.
Allein, zum zweiten Mal verwaist.
Mary war sich sicher, dass Seans Eltern sie, wenn sie nach Irland zurückkehrte, mit offenen Armen aufnehmen würden. Aber wie sah ihr Leben dann aus? Obwohl Mary nicht die Absicht hegte, einen Ersatz für Sean zu finden, wusste sie, dass jedes Lachen von ihr für die trauernden Eltern bitter wäre; sie würde sie immer an ihren Verlust erinnern.
Mary rieb sich das Gesicht, weil sie in der kühlen Märzluft zu frieren begann. Sie stand auf und blickte sich um. Mary musste an den Nachmittag denken, als sie mit Sean in dem Garten gesessen hatte.
»Auf Wiedersehen, mein Lieber. Gott segne dich. Träum was Schönes«, flüsterte sie und kehrte nach Cadogan House zurück.
14
Anna war mittlerweile fast drei Jahre alt, hatte dichte schwarze Haare, die mit ihrer elfenbeinfarbenen Haut kontrastierten, und entzückte mit ihrer natürlichen Anmut den gesamten Haushalt. Sogar Lawrence Lisle ließ sie sich nun von Mary in den Salon bringen, wo sie den Knicks machte, den Mary ihr beigebracht hatte.
Anna schien zu ahnen, dass der Fremde, der sie hin und wieder zu sich rief, für sie wichtig war. Jedenfalls gab sie sich große Mühe, ihn zu bezirzen, schenkte ihm ihr schönstes Lächeln und ließ sich von ihm umarmen.
Körperlich entwickelte sie sich prächtig, doch sie konnte noch nicht richtig sprechen und gab lediglich monotone Laute von sich. Mary versuchte, sich keine Sorgen zu machen.
»Wie geht’s mit dem Sprechen voran?«, fragte Lawrence Lisle eines Tages, als Anna bei ihm im Salon saß.
»Langsam, Sir, aber meiner Erfahrung nach dauert das eben seine Zeit.«
Zum Abschied schlang Anna die Arme um Lisles Schultern.
»Sag
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