Das Mädchen auf den Klippen - Riley, L: Mädchen auf den Klippen - Girl on the Cliff
Ich war ja erst acht …
Arme, gutmütige Grania. Wie sollte sie sich gegen mich wehren? Dazu mochte sie mich zu gern.
Wenn alles ein bisschen anders gewesen wäre, hätte sie Daddy wahrscheinlich lieben können …
Ich muss aufhören, mir eine andere Geschichte zu wünschen. Der Große Geschichtenerzähler verwebt die feinen Schicksalsfäden bedeutend geschickter als ich – auch wenn seine Beweggründe manchmal nicht leicht zu durchschauen sind. Wir müssen darauf vertrauen, dass er uns ein glückliches Ende gewährt, das möglicherweise jenseits des Todes liegt.
Inzwischen dürfte klar sein, dass ich keine Verfechterin der Evolutionstheorie bin, obwohl ich Darwins Entstehung der Arten gelesen habe.
Nein, das ist eine Lüge. Ich habe nach zwei Kapiteln das Handtuch geworfen und mich Krieg und Frieden zugewandt, einer deutlich leichteren Lektüre.
Ich bin Kreationistin.
Das muss man wohl sein, wenn man sich dem Ende des Lebens nähert.
Genug gejammert. Krieg und Frieden ist auch nicht gerade ein Märchen für Kinder.
Zur Aufmunterung werde ich nun wohl etwas von Jane Austen lesen, deren Romane immer gut enden.
Also weiter in der Geschichte …
28
Grania, die, Aurora und deren wertvollste Besitztümer im hinteren Teil des Range Rover, zum Farmhaus ihrer Eltern fuhr, hatte keine Ahnung, was in Alexanders Kopf vor sich ging.
»Wir sind da!«, rief Aurora, sprang aus dem Wagen und rannte zur Küchentür, wo sie sich in Kathleens Arme warf. »Danke, dass ich hierbleiben darf. Kann Lily bei mir im Bett schlafen? Ich verspreche auch, dass ich sie am Morgen wieder zu ihrer Mummy bringe, damit sie ihre Milch kriegt.«
»Wir nehmen Welpen ihren Müttern erst dann weg, wenn sie entwöhnt sind. Und oben im Haus sind keine Hunde erlaubt. Außer bei ganz besonderen Gelegenheiten, zum Beispiel deiner ersten Nacht hier.« Kathleen streichelte Auroras Wange und warf Grania über den Kopf der Kleinen hinweg einen schicksalsergebenen Blick zu.
Vor dem Tee nahm Shane Aurora zu den Schafen und neugeborenen Lämmern mit.
»Hab ich dir nicht gesagt, dass immer wieder ein Lisle-Kind den Weg zu den Ryans findet?«, fragte Kathleen.
»Mam, hör auf mit deiner Kaffeesatzleserei und der Vergangenheit! Du bist doch völlig vernarrt in sie.«
»Ja«, gab Kathleen zu. »Irgendwie hat dieses Kind sich in mein Herz geschlichen, und deinem Daddy geht’s genauso. Ich glaube, er erlebt mit ihr noch mal die Zeit, als du klein warst. Er hat das Gästezimmer rosafarben gestrichen und ist sogar nach Clonakilty gefahren, ein paar Puppen für sie kaufen. Hässliche Dinger.« Kathleen kicherte. »Dein Bruder ist auch ganz hin und weg von der Kleinen.«
»Du weißt, dass es nur vorübergehend ist, Ma, bis Alexander zurückkommt.«
»Wenn Lisle-Kinder bei den Ryans landen, ist das nie vorübergehend«, widersprach Kathleen. »Aber ich muss zugeben, dass Aurora Leben ins Haus gebracht hat.« Kathleen stellte den Wasserkessel auf den Herd. »Wahrscheinlich würde ich sie, wenn nötig, mit Zähnen und Klauen verteidigen. Ich kann Lisle-Kindern genauso wenig widerstehen wie alle anderen Frauen unserer Familie. Wie soll man sich gegen ihr Lächeln wehren?« Sie wandte sich ihrer Tochter zu und verschränkte die Arme. »Viel mehr würde mich interessieren, was du vorhast, Grania. Jetzt, wo Aurora bei uns ist, kannst du frei entscheiden.«
»Dafür bin ich dankbar. Leider habe ich noch keine Beschlüsse gefasst. Vielleicht wären ein paar Tage Zeit nach den dramatischen Ereignissen hilfreich.«
»Ja«, seufzte Kathleen. »Alexander … er sieht ziemlich gut aus. Diese Augen …«
»Mam! Ein bisschen mehr Zurückhaltung, bitte«, schalt Grania sie lächelnd.
»Ich habe mich immer in Zurückhaltung geübt und im Leben eine ganze Menge verpasst. Man darf doch mal träumen, oder? Heute Abend gibt’s jedenfalls was Feines zu essen. Ich koche was Besonderes für unsere kleine Prinzessin.«
Am Abend ging es bei Tisch lebhaft zu. Nach dem Essen holte John, entsetzt darüber, dass Aurora keines der alten Lieder aus ihrer Heimat zu kennen schien, sein Banjo hervor und spielte auf. Shane brach mit einer lebenslangen Tradition und verschwand nicht im Pub. Sie tanzten zu fünft zu irischen Weisen, bis Aurora zu gähnen begann.
»Zeit, schlafen zu gehen, Aurora.«
»Ja«, sagte sie, fast dankbar.
Grania führte Aurora die schmale Treppe hinauf zu dem frisch gestrichenen Gästezimmer und brachte sie ins Bett.
»Deine Familie ist toll, Grania. Ich
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