Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)
Endres. »Die Gräben sind längst voll Wasser gelaufen, und so oder so bekämen wir den Torf nicht mehr trocken.«
»Und was ist mit deinem Rauchbier, bitte schön?« Diether boxte den Kleineren in die Seite. »Darauf warst du doch so scharf. Ist das schon alles vorbei?«
»Ich hätte es gern versucht«, gab Endres zu. »Aber die Brauerei gehört euch, und bei euch liegt die Entscheidung. Du wolltest es nicht, also habe ich es aufgegeben.«
»Schwatz keinen Kohl«, erwiderte Diether und boxte ihn noch einmal. »Wenn hier jemand Entscheidungen trifft, dann der Großvater, und der hört auf dich, nicht auf uns. Das weißt du selbst, nicht wahr, du Goldkind? Ich habe mich schon gewundert, dass er mich nicht mit dem Stecken ins Moor gescheucht hat, damit ich dir deinen verdammten Torf ausgrabe.«
»Ich habe ihm von dem Torf und dem Rauchbier nichts erzählt«, sagte Endres mit jener leisen Stimme, die Diether bis aufs Blut reizte.
»Und warum nicht?«
Lasch zuckte Endres die Achseln. »Die Idee war ohnehin deine. Ich hätte gern etwas gehabt, das wir zwei allein schaffen. Nur du und ich.«
Das Gefühl der Rührung, das Diether kurz ansprang, schüttelte er schnell wieder ab. »Na komm, dann lass uns das machen. Ist doch gerade erst Oktober. Das bisschen Torf für dein Rauchbier wird sich aus der Tunke beim Wald wohl noch schaufeln lassen. Sei kein Frosch – eine Unke bist du doch schon.«
»Ich weiß nicht«, murmelte Endres.
»Du weißt nie. Glaubst du, meiner Schwester gefällt das auf ewig, ein Kerl, der sich zu nichts entschließen kann? Ja, ja, ich weiß schon, du bist der leuchtende Tugendstern dieses Hauses, du verstehst dich darauf, alte Männer zu bezirzen, aber auf Mädchen verstehe ich mich besser als du. Vielleicht solltest du Magda mal zeigen, dass du ein Kerl bist, auch ohne Großvaters helfendes Händchen.«
»Ich hole meine Cotta«, hatte Endres gesagt und war vom Schreibpult, wo er wie so oft über Pergament und Tintenhorn gesessen hatte, aufgestanden. »Wir werden die beiden großen Schaufeln und die Schubkarren aus dem Verschlag brauchen.«
»Und das Messer«, fügte Diether hinzu und schob es in seinen Gurt.
Sie luden das Werkzeug und ein wenig Proviant auf die Karren, dann zogen sie los. Der Tag, der finster begonnen hatte, war jetzt beinahe völlig schwarz. Wind trieb ihnen dünnen Regen entgegen, und die Wolken, die sich ballten, drohten ein Unwetter an, das eine Strafe Gottes glaubhaft machte. An Strafen Gottes aber wollte Diether so wenig denken wie an den Vater, der elendig im Moor verblutet war.
Natürlich behielt Endres Recht: Es war zu spät im Jahr, um Torf zu stechen. Hinter der Stadtmauer war außer ihnen keine Menschenseele unterwegs, weil niemand so vermessen war, jetzt noch aufs Moor zu ziehen. Aber genau das hatte Diether beabsichtigt. Er hatte mit Endres allein sein wollen.
Der Gefährte fand den Streifen Moorland, den sie im Sommer ausgetrocknet hatten, sofort, obwohl die Gräben wie erwartet zugelaufen und die Dämme überschwemmt waren. Diether sah ihm zu, wie er seinen Karren ächzend auf einen trockenen Flecken Gras bugsierte. Du warst mein Freund, dachte er und verspürte einen scharfen Schmerz in der Brust. Als ich inmitten meiner Familie allein war, von keinem Menschen als meiner Schwester geliebt, bist du gekommen und warst mein Freund. Ich bin nicht emsig und gebildet wie du, ich bin nur der dumme Diether, aber ich dachte, du hättest mich gern. Ich hatte keine Ahnung, dass du dir alles stehlen würdest, was ich mir wünschte. Ich habe dir vertraut.
Schweigend suchten sie nach einem Stück Grund, auf dem sie stehen konnten, auch wenn sie bis über den Rand ihrer Stiefel absanken. Schweigend luden sie die Schaufeln von den Karren und begannen zu graben, um die oberste Schicht Moorland abzutragen. Die Arbeit war mörderisch, denn nach jedem Stich, den sie machten, schwemmte Schlamm die Vertiefung wieder zu. Diether und Endres aber gaben sich, als kämen sie gehörig voran, und schaufelten noch immer schweigend weiter.
Stunde um Stunde plagten sie sich, bis sie auf dem kleinen Abschnitt, den sie beackerten, endlich die Soden des unbrauchbaren Weißtorfs abgetragen hatten. Darunter kam tatsächlich Brauntorf zum Vorschein und schließlich der begehrte Schwarztorf, der, wenn er trocken war, höllisch knisterte und brannte. Schweiß lief Diether in Strömen Brust und Rücken hinunter, rann ihm in die Augen und troff salzig über seine Lippen. Dass ihm die Kräfte
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