Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)
sagte er und lächelte ihr erwartungsfroh entgegen. Dann wandte er sich dem Großvater zu. »Guten Morgen, Herr Seyfrid. Ist es recht, wenn ich Euch begleite? Es gibt da etwas, das ich gern mit Euch bereden möchte.«
Endres hielt Diether zurück, ehe der die Fäuste ballte. Der Großvater schien überrumpelt und suchte nach Worten. Da niemand es ihm verwehrte, ging Linhart mit ihnen weiter. Ein stürmischer Wind vertrieb die blassen grauen Wolken und schob schwarze heran. Just als sie in ihre Gasse einbogen, brach der Himmel auf und ergoss sich prasselnd über ihren Köpfen. Einer hinter dem anderen flüchteten sie ins Haus.
Noch während sie sich der nassen Mäntel entledigten, trat Linhart vor den Großvater hin und sagte: »Es ist wegen Magdalen, dass ich gekommen bin, Herr Seyfrid. Da mein Vater nicht mehr sein Wort für mich einlegen kann, spreche ich allein vor und bitte, dass Ihr mir Magdalen zur Frau gebt. Ich bin ein guter Bierbrauer, das ist Euch bekannt, und wenn ich auch auf harte Zeiten gefallen bin, so will ich doch bald wieder auf einen grünen Zweig kommen und für Magdalen, wie es ihr zukommt, sorgen.«
Magdas Herz setzte einen Schlag lang aus. Zum Teufel, Endres , dachte sie, warum hast du ihm nicht im Mai erklärt, wie es um uns steht, dann hättest du uns diese Misere erspart. Natürlich würden sie Linhart abweisen müssen, aber das war jetzt nicht mehr möglich, ohne ihn zu demütigen, und ein gedemütigter Mann war eine Quelle der Gefahr.
»Ha, mit dem Geld meiner Schwester willst du auf deinen grünen Zweig kommen!«, brüllte Diether. Endres und Utz kämpften gemeinsam darum, ihn festzuhalten, damit er nicht auf Linhart losging. Musste er jedes Mal alles noch schwieriger machen, konnte er nicht einmal nachdenken, ehe er mit seinen Worten herausplatzte?
Linhart aber schenkte ihm keine Beachtung, sondern blieb dem Großvater zugewandt. Seine Beine in den engen Hosen zitterten vor Erwartung. »Aus der Verbindung unserer Familien werden wir alle Nutzen ziehen«, beteuerte er zwischen heftigen Atemzügen. »Gerade in solcher Bedrängnis müssen wir Handwerker unsere Kräfte vereinen, damit man uns die Butter nicht vom Brot nimmt.«
Magda hätte darauf gewettet, dass der Großvater seine gehässige Seite zeigen und Linhart eine hämische Abfuhr erteilen würde. Zu ihrer Überraschung schien dessen hilfloser Antrag jedoch sein Mitleid zu wecken. »Das ist sehr hübsch von dir, Linhart«, bekundete er mit rauer Stimme. »Sag, warum setzt du dich nicht und trinkst nach diesem Getöse da draußen einen Krug Bier mit uns?«
»Dafür danke ich«, erwiderte Linhart. »Nur hätte ich erst gern meine Antwort von Euch.«
»Das habe ich befürchtet.« Der Großvater seufzte. »Mit Bier lässt sich bittere Arznei zwar leichter hinunterspülen, aber man kann keinen Menschen zu seinem Glück zwingen. Wie schon gesagt, es ist sehr hübsch von dir, Linhart, und wir fühlen uns von deiner Absicht geehrt. Leider kann daraus aber nichts werden, denn unsere Magda ist schon mit einem anderen verlobt. Wir sind derzeit noch gezwungen, es geheim zu halten, doch das ändert nichts.«
»Und warum, bitte schön?«, rief Diether. »Heda, Endres, warum trittst du nicht endlich vor und sprichst aus, dass du der Glückliche bist. Wenn es für diese Geheimniskrämerei einen Grund gibt, dann bleibt er mir verborgen.«
Der Großvater sandte einen tödlichen Blick in Diethers Richtung, aber Magda fand, dass der Bruder dieses Mal recht hatte. Ja, sie und Endres lebten unter einem Dach, obwohl sie dem Gesetz der Zunft nach zurzeit nicht heiraten durften. Ja, es würde Gerede geben, aber das legte sich auch wieder, sobald die Klatschmäuler andere Opfer fanden. Sie drehte sich nach Endres um. Der stand noch immer im hintersten Winkel, als ginge ihn das Ganze nichts an.
»Der da?«, rief Linhart außer sich und wies auf Endres. »Der Waisenknabe, der keinen Pfennig im Beutel hat und als Schmarotzer von eurer Gnade lebt?«
»Ja, genau der!«, rief Diether. »Der ist meines Großvaters Liebling und sackt hier alles ein, auch wenn er nicht einmal den Mumm hat, für sein Mädchen einzutreten. An dem kommst du nicht vorbei, du Kaulquappe.«
»Was für Dreck seid ihr denn!«, schrie Linhart mit verzerrter Stimme. »Die eigene Schwester gebt ihr einem Buhlen, und das unter eurem Dach! Das soll das Heim von ehrlichen Handwerkern sein? Ein Hurenhaus ist es, ein Sündenpfuhl!«
Magda schloss die Augen und presste sich die Hände
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