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Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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erlahmten, hatte er bisher nicht eingestehen wollen, jetzt aber schmerzten die Muskeln seiner Arme so sehr, dass er sie unmöglich noch einmal anspannen konnte.
    Die brennbaren Soden würden mit dem großen Torfmesser aus dem Erdreich herausgeschnitten und später zum Trocknen ausgelegt werden. Das war der leichtere Teil der Arbeit, aber es würde trotzdem noch Stunden dauern, bis sie ihre Karren vollgeladen hatten. Das Schnaufen schwerer Atemzüge drang zu Diether herüber. Endres hatte sich auf seinen Spaten gestützt und rang keuchend nach Luft. Er war immer ein schmächtiges Bürschlein gewesen und für körperliche Arbeit im Grunde nicht gemacht.
    »He, Kumpan, alles in Ordnung mit dir?«, rief Diether ihm zu.
    Der andere brauchte eine ganze Weile, ehe er, noch immer kurzatmig, antworten konnte: »Lass uns für heute Schluss machen. Ich glaube, wenn ich noch einen Spatenstich tun muss, falle ich tot um.«
    »Wir machen Pause«, bestimmte Diether. »Ein bisschen Grütze und ein Schluck warmes Bier werden dich schon wieder zu Kräften bringen.«
    »Aber die Sonne geht unter.« Endres’ Stimme klang jämmerlich. »Im Nu können wir keine Hand mehr vor Augen sehen, und regnen tut es auch.«
    »Das bisschen Getröpfel wird uns schon nicht schmelzen«, wies Diether ihn zurecht, ging den handschmalen Pfad zu den Karren entlang und holte das scharfe Torfmesser heraus. Vorsichtig, um nicht vom Weg abzukommen, kehrte er zu ihrer Grube zurück und begann, an der trockensten Stelle ein Stück Sode aus dem Erdreich zu schneiden. »Das gibt ein schönes Feuerchen, meinst du nicht auch?«
    »Ich meine, wir sollten nach Hause gehen«, erwiderte Endres noch immer in dem weinerlichen Ton.
    »Wenn wir jetzt gehen, war die ganze Schufterei umsonst. Bis morgen ist uns die verdammte Grube wieder vollgelaufen.«
    »Aber es ist gefährlich, Diether. Das bisschen Torf ist doch unser Leben nicht wert, und du weißt selbst am besten, was einem hier im Moor geschehen kann.«
    Das hätte er nicht sagen dürfen! Die Worte trafen Diether, als rissen Hände in seinem Innern Schorf von einer Wunde, als sprudelte ihm Blut in die Kehle. Er wandte sich ab und glaubte in den Schatten, die im Zwielicht flackerten, den Körper seines Vaters wahrzunehmen, den zerfleischten Hals und das Rot des Blutes im Schwarz. Zornig schob er das Messer in den Gürtel und riss das tropfende Stück Torf in die Höhe. »Halt den Mund und komm«, fuhr er Endres an. »Wer hat denn bitte schön getönt, die Brauerei gehöre uns und bei uns liege die Entscheidung?«
    Wie erwartet kam von Endres keine Antwort. »Ich jedenfalls entscheide, jetzt etwas zu essen und dann weiterzumachen«, fuhr Diether fort. »Schließlich wollen wir nachher den Torf noch auslegen. Du, ehe du dir vor Angst die Hosen nass machst, lauf lieber heim und lass dir vom Großvater den Hintern trocknen. Mir aber erzähl nie wieder, du wünschst dir etwas, das wir beide allein schaffen.«
    Diether schwang herum, wobei er um ein Haar neben den Weg trat, und ging zurück bis zu dem Flecken Gras, wo ihre Karren standen. Als er sich auf einem Stein niederließ, um Feuer zu machen, streifte das scharfe Messer seinen Schenkel und ritzte ihm die Hose auf. »Verflucht!«, zischte er zwischen den Zähnen hindurch.
    »Dieses Messer ist zu lang, um es im Gürtel zu tragen«, sagte Endres, der ihm gefolgt war. »Auch zu scharf geschliffen. Leg es lieber wieder in den Karren.«
    »Mein Messer bleibt da, wo es mir passt«, entgegnete Diether wütend, griff sich in den Halsausschnitt und holte den Beutel mit dem Zunderschwamm heraus. Bei der Arbeit in der Grube hatte er geschwitzt und die Ärmel aufgekrempelt, jetzt aber erkalteten seine Muskeln im Nu. Ein Frösteln rann ihm durch sämtliche Glieder. Der Zunder fühlte sich feucht an, und der durchnässte Torf ließ sich nicht entzünden. Endres setzte sich ihm gegenüber und sah ihm zu, doch er erteilte ihm keine Ratschläge mehr.
    Endlich fing eine Kante der Sode doch noch Feuer, und mit Stochern und Fachen bekam Diether die kleine Flamme zum Lodern. Die jähe Wärme tat unendlich wohl. Aus ihrem Bündel hob er den großen Bierkrug und den Topf mit der Hirsegrütze und hielt beides abwechselnd über die Glut.
    »Diether«, sagte Endres.
    Diether hätte selbst gern ein Gespräch angefangen, denn das Schweigen in der Dämmerung war beklemmend, aber er würde sich nicht von Neuem wie ein dummer Junge abkanzeln lassen. »Wenn du mir Moral predigen willst, dann spar

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