Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)
deinen Atem«, sagte er. »Ich frage weder dich noch den Pfaffen nach seiner Meinung, und ich vergnüge mich mit so vielen Mädchen, wie ich will.«
»Ja, das tust du«, erwiderte Endres. »Weißt du, dass ich mich oft frage, ob du dich wirklich dabei vergnügst? Ob du nicht vielmehr etwas suchst und es einfach nicht findest?«
»Und was soll das bitte schön sein, Herr Neunmalgescheit?«
»Ich weiß es nicht, Diether. Vielleicht das, was ich von deiner Schwester bekomme. Achtung und Vertrauen.«
»Und du bist der Ansicht, das hättest du beides verdient?«
»Nein«, sagte Endres. »Ich bin der Ansicht, wenn wir es am wenigsten verdienen, wenn wir versagen, haben wir es am bittersten nötig.«
Das Wort traf Diether wie ein Peitschenhieb. »Ich versage nicht!« Er sprang auf, dass der Topf seinen Händen entglitt. All die Grütze, die Magda ihnen gekocht hatte, ergoss sich in das kleine Feuer. Gestank nach Verbranntem stieg auf, die Flamme färbte sich blau, dann erstickte sie. Mit einem Schlag war es dunkel. »Mir ist einerlei, was der Großvater von mir hält, was dieses ganze Kaff Bernau von mir hält. Ich bin kein Versager, hast du gehört? Ich werde es euch schon noch zeigen. Für dieses enge Nest voller Kleingeister mag ich nicht geboren sein, aber ein Versager bin ich deshalb noch lange nicht!«
»Ich habe doch nicht gesagt, du wärst einer«, erwiderte Endres so leise, dass Diether die Hälfte der Worte erraten musste. »Ich habe es auch nie gedacht. Schade um die schöne Grütze.«
»Lass mich mit deiner Grütze in Frieden!« Ein Gefühl der Enttäuschung und Leere ergriff von ihm Besitz, das er weder erklären noch beherrschen konnte. »Und doch, du hast gesagt, dass ich ein Versager bin. Das denkst du schon lange. Glaubst du, das weiß ich nicht?«
»Es ist dein Großvater, der es sagt«, erwiderte Endres. »Und dass er sich davon nicht abbringen lässt, tut mir im Herzen weh.«
»Auf dein Mitleid pfeife ich! Und auf den Großvater schon lange.« Um der abscheulichen Leere Herr zu werden, packte Diether den Bierkrug und schüttete sich in die Kehle, was immer er schlucken konnte.
»Das ist Starkbier«, sagte Endres und klang wie eine Betschwester. »Das solltest du nicht so hinunterstürzen, schon gar nicht auf leeren Magen.«
»Ich werde dir zeigen, was ich soll!«, rief Diether, setzte den Krug wieder an und trank ihn erbarmungslos leer, auch wenn ihm schwindlig wurde und sprudelndes Bier in seine Nase stieg. Wann hatte das angefangen, dass Endres ihn wie alle anderen verachtete, alle außer Magda, die er sicher auch bald damit anstecken würde?
Wann bist du von meinem Freund zu meinem Feind geworden? Wann begann dir das Schöngetue eines alten Mannes mehr zu bedeuten als unsere Freundschaft? Ist es damals geschehen, als ich heimkam aus dem Moor, bis zu den Schultern mit Blut beschmiert? Damals, als das Geflüster anhob, sobald ich vorbeiging, das Zusammenstecken der Köpfe, das vergiftete Raunen: Da geht Diether Harzer, der seinen Vater abgestochen wie ein Huhn im Moor gefunden hat. Wer weiß denn, ob an dem nicht der Tod klebt? Ein missratener Bengel, ein Satansbraten war der ja schon immer. Wer weiß denn, ob der seinem Vater nicht selbst den Garaus gemacht hat?
Er wollte trinken, trinken, trinken. Keine Bilder mehr sehen, keine Schmähungen mehr hören. Im Karren war noch eine lederne Flasche mit Magdas Schnaps aus Wacholderbeeren. Für Notfälle, pflegte sie zu sagen, auch wenn Diether sich von jeher gefragt hatte, bei was für Notfällen Wacholderschnaps aushelfen sollte. Jetzt wusste er es. Er fischte die Flasche unter dem Werkzeug hervor.
»Bitte hör auf, Diether. Es tut mir leid. Lass mich noch meine Wanderschaft ableisten, darum bitte ich dich. Danach, wenn du es so willst, nehme ich Magdalen und gehe fort.«
»Magda willst du mir auch noch nehmen, ja?« Diether trank Schnaps, und die Worte verwischten.
»Magdalen heiratet mich aus freien Stücken. Und mehr will ich nicht – weder die Brauerei noch das Geld, das dein Großvater in der Truhe bewahrt.«
»Ach, mehr willst du nicht! Nur unsere Schwester, nur das Beste, was wir zu bieten haben!« Er ging einen Schritt auf Endres zu, spürte, wie er schwankte, trat fehl und sank bis zum Knie in den Schlamm. Mit einem heiseren Schrei sprang Endres hinzu und griff nach seinem Arm, um ihm herauszuhelfen.
»Fass mich nicht an!«, fauchte Diether, riss sich los und tappte mit dem nächsten Schritt von Neuem in schmatzende, saugende
Weitere Kostenlose Bücher