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Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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im selben Moment sauste ihm der Riemen der Peitsche über die Hand. Utz erschrak bis ins Mark. Nie zuvor hatte er einen Menschen mit der Peitsche geschlagen. Seine Angst war schuld. Die Sorge, seine Familie nicht sicher unterzubringen, brachte ihn um den Verstand.
    »Bist du verrückt?«, rief Magda und sprang vom Bock. Sie lief um das Pferd herum zu dem Fremden und packte seine blutende Hand. »Ich bitte um Vergebung, mein Herr«, sagte sie, hob ihr Knie in die Höhe und riss sich ohne Federlesens einen Streifen Leinen vom Unterkleid. »Mein Bruder ist müde und weiß nicht, was er tut. Er hat Euch Eure Hilfe wahrlich so nicht vergelten wollen.« Der Fremde entzog ihr seine Hand, sie aber fing sie wieder ein und wickelte ihm reichlich grob das Leinen um die Wunde.
    Ohne es zu wollen, sah Utz in das Gesicht des Mannes, Züge, die glasklar geschnitten und unvergesslich waren. Anmaßend hoben sich die Brauen, doch um die Mundwinkel spielte etwas, das beinahe einem Lächeln glich. »Ich bin kein Herr. Und meine Hilfe braucht mir niemand zu vergelten, schon gar nicht, indem er sich in so eisiger Nacht sein Gewand zerfetzt.«
    Magda hielt inne und sah aus, als müsse sie selbst gegen ein Lächeln kämpfen. »Papperlapapp«, sagte sie. »Natürlich vergelten wir Euch Eure Hilfe! Und zwar mit einem wärmenden Getränk in unserem neuen Heim. Wir sind die Harzers aus Bernau, Meister Seyfrid und vier Enkel, Lentz, Utz, Diether und Magda, frisch eingetroffen und recht durcheinander, aber sonst gut zu haben. Und jetzt seid Ihr an der Reihe – auch wenn Ihr kein Herr seid, werdet Ihr ja einen Namen haben?«
    »Kaum«, erwiderte der Mann mit der vermessen schönen Stimme. »Ich bin Franziskaner-Postulant in dem Kloster, das die Berliner das Graue nennen. Da spielen Namen keine Rolle. Wollt Ihr, dass ich Euch jetzt das Pferd ausschirre und in den Krögel führe, damit Ihr endlich aus der Kälte kommt?«
    Also doch ein Pfaffe, dachte Utz und bereute den Peitschenhieb nicht länger. Auf die ein oder andere Weise verdiente es ein jeder von ihnen. »Ich werde meinen Wagen gewiss nicht hier draußen dem Diebesgesindel überlassen«, mischte er sich mit scharfer Stimme ein.
    »Das liegt ganz bei Euch«, erwiderte der ungeschorene Mönch gelassen. Hochmütig, fand Utz. Von der Demut, die diese Leute predigten, himmelweit entfernt. »Dass Ihr um den Wagen besorgter seid als um die Dame, befremdet mich, aber mich geht es schließlich nichts an.«
    »Ganz recht«, konterte Utz. Weshalb sollte er den Wagen nicht bis vor sein Haus fahren können? Sogar in der Enge von Bernau hatte der Platz dafür ja genügt. »Wenn Ihr uns dann jetzt bitte zeigen würdet, in welche Gasse wir abbiegen müssen …«
    Gleichgültig wies der Mönch nach rechts. Dort tat sich hinter dem Gebäude der Marktaufsicht eine winzige Gasse auf.
    »Da sollen wir hinein?«, rief Magda. »Utz, der Herr hier hat Recht, in dem Nadelöhr bleiben wir mit dem Wagen stecken wie Speck und Blut in der Wurst.«
    »Wir lassen ihn hier«, ließ Lentz sich vernehmen und stieg ab, ehe Utz auch nur ein Wort herausbekam. Er ging um das Pferd herum und reichte dem Fremden die Hand. »Habt Dank, Bruder. Ich bin Lentz Harzer und bedaure es sehr, dass Ihr verletzt worden seid.«
    Der Fremde winkte ab. »Neben der Marktaufsicht ist ein Unterstand, auf den die Nachtwache ein Auge hat. Lasst den Karren dort und bezahlt morgen früh.«
    Die drei – Magda, Lentz und der überhebliche Kuttenträger – nahmen Utz die Führung aus der Hand. Schnell und gewandt schirrte der Fremde das Pferd aus, klopfte ihm den schweißnassen Hals und begann es zum Trocknen auf und ab zu führen. Lentz machte sich daran, das Gepäck vom Wagen zu laden, und Magda weckte Diether und den Großvater. »Fasst alle mit an!«, rief Magda. »Umso schneller kommen wir samt Gepäck ins Warme!«
    Kaum erwacht, spie Diether sich die Seele aus dem Leib, und auch der schlaftrunkene Großvater war keine Hilfe. Magda, Lentz und Utz mühten sich zu dritt, bekamen aber den klobigen Wagen nicht bewegt.
    »Haltet das Pferd«, kommandierte der Fremde und übergab Magda die Zügel. Er trat hinter das Gefährt, lehnte sich mit der Schulter dagegen, setzte das ganze Gewicht seines Körpers ein und brachte den Wagen mit einem Ruck in Fahrt. Ohne große Unterstützung von Utz und Lentz schob er ihn an seinen Bestimmungsort. In dem Unterstand, in dem sich noch weitere Karren reihten, würde er wohl einigermaßen sicher aufgehoben sein.
    Sie

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