Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)
Fäusten auf den Rücken des Mannes ein, der vor ihr stand. Der drehte sich lediglich kurz um und strich sie wie eine Schmeißfliege von sich ab, dann wandte er sich wieder seinem Schauspiel zu.
»Ihr vergeudet Eure Kraft.«
Magda schoss herum. Seltsam, dass vier Worte genügten, um eine Stimme zu erkennen, die sie erst einmal gehört hatte. »Was habt Ihr hier zu schaffen?«, schrie sie ihn an. »Schleicht Ihr mir nach?«
»Mitnichten. Ich habe auf dem Markt zu tun wie Ihr.«
»Und was?«
»Betteln«, erwiderte der Fremde und kniff einen Mundwinkel ein. Sein Mund war schön. Der blanke Hochmut der Miene wirkte geradezu entstellend.
»Dann geht nur weiter Eurer Bettelei nach und fallt mir nicht zur Last.« Der Mann mochte ihnen gestern als Retter in der Not geholfen haben, doch er gehörte einem Kloster an, und damit war er ein Feind. Einer wie Pater Honorius. Sie hätte lieber mit dem leibhaftigen Blutvogt geschwatzt als mit ihm. Zudem war er unerträglich von sich eingenommen – eine weitere Eigenschaft, die er mit dem Mörder Honorius teilte.
»Wie beliebt.« Der Fremde drehte sich um und ging. Vor ihm spritzte die Menge auseinander, was zweifellos seinem Wuchs geschuldet war. Er konnte unmöglich ein Mönch sein! Was wollte ein Mann mit solchen Schultern hinter Klostermauern? Kalter Schrecken durchfuhr sie. Stand sie hier und beglotzte einem Fremden den Rücken, während Utz bei der Marktaufsicht gefangen saß? Sie musste ihm helfen, und zwar auf der Stelle. Mit ausgefahrenen Ellbogen kämpfte sie sich durch die Wand aus Leibern, drängte sich zwischen den Ständen hindurch und eilte endlich die Stufen zu der Tür hoch, hinter der die Männer mit Utz verschwunden waren.
Nach dem geschmiedeten Klopfer musste sie sich recken. Mit aller Kraft ließ sie ihn gegen das Holz sausen, dass jede gewöhnliche Tür in ihren Angeln erzittert wäre. Diese aber rührte sich nicht. Magda klopfte ein zweites und ein drittes Mal, ohne dass jemand kam, um ihr zu öffnen. Als sie den Klopfer zum vierten Mal anhob, sprang ein Kerl im grünen Wams der Stadtknechte hinzu und zerrte sie grob von der Tür zurück. Mit der flachen Hand holte er zum Schlag aus.
»Nicht!«
Der Schläger hielt inne. Am Fuß der Stufen stand der Fremde in der Kutte.
»Du hältst dich raus, Bruder.«
»Mit Vergnügen. Aber du lässt das Mädchen gehen.«
»Deine Schwester?«
»Gewiss doch.«
Der Stadtknecht lachte und verpasste die Backpfeife, die Magda zugedacht gewesen war, stattdessen der Luft. »Ihr Mönche seid ein Drecksvolk, alle miteinander. So ein Glück möchte unsereins haben – kaum kriegen die Weiber einen Hintern in Kutte zu Gesicht, kennen sie kein Halten mehr.«
Er versetzte Magda einen Stoß und gab sie frei. Mühsam fing sie sich auf der untersten Stufe und sprang zurück, um nicht dem Fremden in die Arme zu fallen. »Woher kommt Ihr schon wieder?«, zischte sie ihn an.
»Ich schleiche Euch nach.«
»Verschwindet!« Sie wollte, dass er ging, sie allein ließ, nicht ständig aus dem Boden wuchs, wenn sie sich neuerlich wie eine dumme Gans betrug. Sie hatte ohnehin für all dies keine Zeit. Sie musste sich um Utz kümmern, Hilfe herbeirufen, ehe die Schergen ihm etwas antaten. Wen aber sollte sie holen, den Großvater, Diether, Lentz? Der Erste würde sich um Utz nicht scheren, der Zweite im Bier ertrinken und der Dritte erklären, dass er leider machtlos sei und am Lauf der Welt nichts ändern könne. Es gab keine Hilfe. Wie so oft stand sie allein da.
Der Mann hatte sich abgewandt und war ein paar Schritte in Richtung Marktplatz gegangen. Jetzt blieb er stehen und drehte sich neuerlich um. Einen Herzschlag lang wirkte der Ausdruck auf seinem Gesicht nicht überheblich, sondern fragend. Was er in ihrem Gesicht als Antwort las, wusste sie nicht. Aber er kam zurück.
Sie stieg die Stufe hinunter. Er blieb vor ihr stehen, mehr als einen Kopf größer als sie. »Lasst mich Euch etwas zu essen kaufen«, sagte er.
Bei dem Wort rief ihr Magen sich in Erinnerung. Er schmerzte vor Leere. »Ich dachte, Ihr müsst betteln.«
Der Fremde langte in den Beutel, den er an einer Schnur um den Hals trug, und ließ ein paar Münzen in seiner Handfläche spielen. »Vom Erbettelten kann ich Euch einen Salzhering kaufen, oder nicht? Streng genommen dürfte ich Geld ohnehin nicht annehmen, sondern nur Dinge, die ich unbedingt zum Leben brauche.« Als er die Münzen zurück in den Beutel schob, sah sie den blutroten Striemen, der sich über
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