Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
Vom Netzwerk:
gaben einen traurigen Zug ab, wie sie einer nach dem andern, mit ihrer Habe auf den Armen, hinter dem Mönch mit dem Pferd in die Gasse trotteten. Die war so schmal, dass das klapprige Tier gerade so hindurchpasste. Der Fremde wandte den Kopf. »Das dritte Haus?«
    Utz, dem es die Kehle zuschnürte, zwang sich zu einem Nicken.
    »Hier«, erwiderte der Fremde und blieb mit dem Klepper stehen.
    »Das kann nicht sein«, stammelte Utz und wagte kaum aufzublicken. »Wir sind wohl falsch gegangen, denn das hier ist es auf keinen Fall.«
    Mit zwei Schritten war Magda bei ihm und nahm ihm den Schlüssel aus den Händen. »Lass mich sehen, ja?« Sie ließ die anderen stehen, ging zur Haustür und schob den Schlüssel ins Schloss. »Er passt«, sagte sie tonlos. »Wie es aussieht, sind wir angekommen.«
    »Aber das geht doch nicht, da können wir doch nicht wohnen!«, rief Diether, während der Großvater brummte: »Ins Spital hätt ich gehen sollen, da gehören die, die nicht mehr zum Leben taugen, hin. Selbst bei den Kuttenträgern wär’s mir noch besser ergangen als hier im Koben, im Koben.«
    »Das ist Unsinn, Großvater«, sagte Magda, um Fassung bemüht. »Hier hast du deine Familie um dich, einerlei wie das Haus beschaffen ist.« Sie stieß die Tür auf und begann, ihren Kleiderkasten ins Innere zu wuchten. »Und du mach, dass du die restlichen Sachen holst, Diether. Ihr, Herr Namenlos, könnt mir helfen, den Stall zu finden, damit Ihr endlich dieses Pferd und somit uns loswerdet.«
    Alle setzten sich in Bewegung, als zöge Magda sie an Strippen. »So übel ist es doch nicht«, vernahm Utz eine Stimme und spürte Lentz’ Hand auf seiner Schulter. »Es ist ein Haus mit einem Kontor, wie du es brauchst, nur darauf kommt es an.«
    Utz vermochte ihm nicht zu antworten. Er konnte nur wie versteinert an dem Haus hinaufblicken, das sich einem Schandmal gleich vor ihm erhob. Es sah kaum wie ein Stadthaus aus, mehr wie eine übergroße Scheune. Vom Fundament bis hinauf zum Dachstuhl wies es weder Stein noch Fachwerk auf, sondern nichts als Holz.

13
    Schlimmer kann es nicht kommen, sagte sich Magda jeden Morgen, aber damit irrte sie sich.
    Das Kontor bot reichlich Platz, doch das war auch schon das einzig Gute, das sich über Utz’ Kauf sagen ließ. Das Haus war zugig, windschief, enthielt nur eine einzige, nicht einmal gemauerte Feuerstelle und machte den Eindruck, als würde es demnächst über ihnen zusammenbrechen. Bechtolt, der Mann, der ihnen doch den Weg hatte ebnen wollen, ließ sich nicht blicken. Sie hatten kein Geld und außer den Resten ihrer Wegzehrung nichts mehr zu essen. Diether nahm mit Bier vorlieb, und Magdas einziger Trost dabei war, dass auch dieser Vorrat bald aufgebraucht sein würde. Die übrigen litten Hunger.
    Als sie endlich mit klappernden Zähnen auf einer notdürftig errichteten Schlafstätte lag, sprang sie mit einem Mal der Wunsch an, zurückzukehren. Aber wohin? Sie hatten ja keinen Ort mehr, der sie wieder aufnehmen würde, nur abgebrochene Brücken und verlorene Erinnerungen. Ihnen blieb keine Wahl, als sich hier durchzubeißen.
    Sie schlief noch weniger, noch zerquälter als sonst und schreckte anderntags wie zerschlagen aus der Schwärze. Dennoch kämpfte sie sich in die Höhe. Vom Platz her ertönte das Geläut, das den Markttag eröffnete, und in ihrem Kontor lagerte säckeweise ungemahlenes Getreide. Daraus Grütze kochen konnten sie nicht, aber sie konnten einen Teil davon zu Geld machen! Dieser Bechtolt mochte ihren Bruder übers Ohr gehauen haben, aber vom Stillsitzen und Hadern wurde nichts besser. »Wir müssen dafür sorgen, dass Geld hereinkommt«, sagte sie zu Utz. »Wenn wir uns erst einmal richtig ausstatten können, sieht alles nur noch halb so schlimm aus.«
    Utz, der bisher so tatkräftig das Ruder übernommen hatte, wirkte völlig gebrochen. Magda musste ihn förmlich zwingen, sich aufzurappeln, sich ebenso wie sie einen Sack auf die Schulter zu laden und mit ihr auf den Markt zu ziehen. »So betreibt man keinen Handel«, war alles, was er murmelte.
    »Das ist mir gleichgültig«, erwiderte Magda. »Heute Abend kaufe ich für meine Familie zwei Schweinsohren, ein Stück fetten Speck und einen Sack Erbsen, damit Leib und Seele beieinanderbleiben. Und Holz zum Heizen und um dem Großvater ein ordentliches Bett zu zimmern. Deinen Handel betreiben kannst du, wie es dir passt, aber erst wenn es der Familie nicht länger am Nötigsten fehlt.«
    Er hatte nichts mehr gesagt und

Weitere Kostenlose Bücher