Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)
stecken. Der hat für seine Anmaßung teuer und schmerzlich bezahlt.«
»Einerlei«, verwarf Utz die Vorstellung, die ihm einen Schauder einflößte. »Was geht uns das an? Du bist nicht von Adel, Liebste.«
»Nun wohl. Ich mag nicht von Adel sein, wie du so ungalant ausführst, doch ich bin immerhin Patrizierin. Mein Mann gehört zu den reichsten Kaufleuten der Mark und sitzt im Rat der Stadt.«
»Ich wollte, du würdest ihn nicht ständig deinen Mann nennen«, fuhr Utz auf. »Und im Rat wird er wohl kaum noch sitzen. Ich habe gehört, er überlebt die Nacht nicht.«
»Das ist schon möglich, weshalb ich nicht mehr lange bleiben kann«, erwiderte Fronica. »So oder so bin ich seine Frau, und wenn er am Morgen nicht mehr leben sollte, bin ich seine Witwe.«
»Was willst du damit sagen?«
»Ach, Utz«, zwitscherte sie und küsste ihn auf die Wange, wie man Kinder küsst. »Dass ich selbst dann noch unerreichbar weit über dir stehe, will ich sagen, begreifst du das denn nicht?«
»Das hast du immer gewusst. Und ich habe dir immer versprochen, dass sich das ändern wird.«
»Ja, das hast du, du tapferer Streiter. Aber es wird sich nicht ändern, habe ich Recht? Utz, unser Cölln-Berlin mit seinen achttausend Seelen mag dir wie eine Stadt ohne Grenzen vorkommen, doch was Klatsch und Tratsch betrifft, ist es nicht größer als ein Altmärker Dorf. Und an meinem Bruder ist allemal ein Klatschweib verloren gegangen. Über die Grube, in die du getappt bist, weiß in meinen Kreisen jedes Kind Bescheid. Du hast an deinen Braukessel zurückkehren müssen, nicht wahr, mein Ärmster? Aber daran ist ja fürwahr nichts Ehrenrühriges.«
»Nein, ist es nicht«, erwiderte Utz in jähem Zorn.
Sie legte ihm ihre schlanke Hand auf den Arm. »Kein Mensch bei Verstand würde so etwas behaupten. Es ist nun einmal ein jeder in der Welt an einen Platz gestellt, und wer sich darüber zu erheben sucht, fällt tief, so wie der Buhle der Afra von Quitzow. Im Grunde ist es doch eine Gnade, dass du an deinen Platz zurückkehren kannst, ganz so, als wäre nichts geschehen.«
Innerhalb eines Wimpernschlags schienen Jahre an Utz vorbeizurauschen. Endlose Stunden in der verhassten Braustube, die Arme schwer vom Rühren der Maische, das Gesicht überm Kessel rot vom Dampf. Der strenge Geruch des vor dem Mälzen eingeweichten Getreides, der noch strengere, Übelkeit erregende der Hefe und die ewig schmierigen Hände. Die schiefen Blicke, verdrehten Augen, das Stöhnen. Die tiefe Demütigung, wenn der Großvater die Kelle in den Sud tauchte, der aus Utz’ Würzepfanne troff, wenn er mit spitzen Lippen probierte und dann die Kelle angewidert auf den Boden leerte. Aus dir wird nie ein Brauer. Dir fehlt’s im Gaumen, Bube. Eher wird meine Ziege zum Papst, zum Papst.
Utz liebte die zarten und sauberen Dinge im Leben: Fronicas fein gesponnenes Haar, die Arbeit über weißen Papieren, den Geschmack von edlem Wein. Die Grobheit, in der er hatte aufwachsen müssen, hatte etwas in ihm zerstört, und er hatte geglaubt, wenn es einen Menschen gab, der das verstand, sei es Fronica. »Die Braustube ist nicht mein Platz.« Wie oft hatten sie in ihrem Versteck bei den Weiden darüber gesprochen und waren zwischen Küssen und Schmeicheln zum immer gleichen Ergebnis gelangt: Du bist zum Kaufmann geboren, Herzliebster. Wenn du nur ein wenig Hilfe von deiner Familie gehabt hättest, hättest du sowohl den Lebus als auch meinen Bruder übertrumpfen können.
Die Hilfe, die ihm von seiner Familie verwehrt geblieben war, hatte ihm von ihrem Bruder zuteil werden sollen, und wenn er erst Fuß gefasst hätte, würde er sich einen Hausstand aufbauen, der ihrer würdig war. Wie hatte sie von der Zeit geschwärmt, in der sie diesem Hausstand vorstehen würde, in denen ihnen beiden die Stadt Berlin zu Füßen lag!
»Ach, Utz«, sagte sie jetzt mit einem kleinen Lachen. »Wie es aussieht, ist die Braustube ja wohl doch dein Platz. Das ist keine Schande. Für die große Welt ist eben nicht jeder Mann gemacht.«
»Dein Bruder hat mich reingelegt!«, rief Utz. »Und das kreidest du mir an? Du sprichst mit mir wie mit einem Bauerntölpel, weil ich über das Seil, das dein Bruder gespannt hat, gestolpert bin?«
»Mein Bruder ist ein mächtiger Mann. Leute, die über seine Stricke stolpern, kann er nicht achten, wobei er für Brandenburger ohnehin wenig Achtung übrig hat.«
»Aber er ist doch selbst …«
Sie winkte ab. »Das tut nichts zur Sache. Er will, dass sich
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