Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)
Gejammer! Sag mir, wer dieser geheimnisvolle Käufer sein soll, damit einer von uns mit ihm sprechen kann, oder spar dir die ganze Rederei.«
»Mit ihm sprechen müsste ich schon selbst«, erwiderte Diether verschnupft. »Du glaubst, es gibt ihn gar nicht? Nun, es gibt ihn sehr wohl, und sogar ich kann einmal etwas richtig machen. Er heißt Petter Tietz und ist Bäckermeister. Einer von den großen, die ihre Bude auf dem Mühlendamm haben.«
»Und wo willst du den getroffen haben?«
»Das ist meine Sache. Du sag mir nur, ob ich mit ihm sprechen soll. Wenn du nicht willst …« Er ließ den Rest des Satzes in der Luft hängen.
Konnte sie sein Angebot denn ausschlagen? Sie war so unendlich müde und wollte endlich einen Fortschritt sehen. »Sprich mit ihm«, sagte sie matt. »Wenn er uns für drei Säcke Roggen zehn Schillinge zahlt und darüber schweigt, dann sind wir im Geschäft.«
»Ich werde es ihm sagen.« Diethers Zunge flitzte wie die einer Natter über seine Unterlippe. »Eines wäre da noch.«
»Und was?«
»Ein Anteil von dem Geld stünde ja wohl mir zu, oder? Dafür, dass ich das Geschäft vermittle.«
»Deinen Anteil vom Geld hast du dir doch schon selbst beschafft!«, fauchte sie. »Andernfalls steckten wir jetzt nicht in diesem Schlamassel. Wenn du deiner Familie helfen willst, mit dem Bierbrauen wieder ihr Geld zu verdienen, dann sollst du selbstredend deinen Anteil haben wie wir alle. Wenn nicht, dann lass mich alleine, Diether. Ich habe wahrlich Sorgen genug.«
»Magda«, sagte Diether, »ich will das tun, was du gesagt hast. Mithelfen, die Harzer-Brauerei wiederaufzubauen, arbeiten, um ein Leben in Anstand zu führen. Aber es gibt eine Schwierigkeit dabei. Ich brauche das Geld nicht in ein paar Wochen. Ich brauche es jetzt.«
Er hatte Schulden gemacht, und jetzt saßen ihm die Gläubiger im Nacken. Er hatte Geld verspielt oder Schlimmeres, wie es ihm seit der Wiege prophezeit worden war. Zu Tode erschöpft ließ Magda sich auf einen der Säcke fallen. Er war ein so freundlicher Junge gewesen, sanft und warmherzig, der liebenswerteste unter ihren Brüdern. Ihr Spielgefährte, der ihr täglich neue Geschichten in funkelnder Farbenpracht erzählte, der ihr die Lieder der Vögel auf der Flöte nachspielte und der nachts in ihr Bett gekrochen kam, weil er sich im Dunkeln fürchtete. Wie war es so weit mit ihm gekommen, und wo in all dem Dickicht lag der Weg zurück?
»Magda«, sagte er noch einmal, und sein Ton ließ sie aufhorchen. »Was immer du jetzt denkst, ich brauche das Geld nicht für mich. Erinnerst du dich an die kleine Wendin, die Worša? Ja, du hattest Recht, ich habe ein böses Spiel mit ihr getrieben. Anfangs habe ich ihr wirklich helfen wollen, aber dann fing es an, mir Vergnügen zu machen, dass Linhart so verrückt nach ihr war. Er hat behauptet, er wolle sie heiraten, er hat sie sogar in sein Haus genommen, und mich ritt der Teufel, ich habe einfach kein Ende gefunden. Zum Schluss hat Linhart sie auf die Straße geworfen, und sie musste fort, wer weiß wohin. Kannst du mir bitte glauben, dass es mir von Herzen leidtut, was ich damals diesem Mädchen angetan habe?«
Magda wusste nicht, ob sie ihm glauben konnte, denn etwas anderes nahm ihre Gedanken gefangen: Linhart hatte die Wendin heiraten wollen, doch Diether hatte seinen Wunsch zunichtegemacht. Danach hatte Linhart sie, Magda, heiraten wollen, und diesmal war es Endres gewesen, an dem sein Wunsch gescheitert war. »Diether«, sagte sie, »du hast wirklich Pater Honorius gesehen, damals im Moor, nicht wahr? Du warst bei dir, trotz des Trinkens, und du hast Pater Honorius erkannt?«
»Warum fragst du mich das?«
»Weil ich eben überlegt habe, ob es nicht doch Linhart gewesen sein könnte. Ich habe ihn anfangs verdächtigt, doch als du dann Pater Honorius beschuldigt hast, habe ich mich dafür geschämt. Jetzt aber frage ich mich – wie sehr muss er euch beide gehasst haben? Indem er Endres erstach und dir die Schuld in die Schuhe schob, hätte er mit einem Schlag an euch beiden Rache nehmen können.«
Diether schluckte mehrmals, dass sein Kehlkopf sich hart auf und ab bewegte. »Es war der Pfaffe«, sagte er dann. »Pater Honorius, den wir im Leben nicht belangen können. Ich aber habe von der Wendin nicht angefangen, um das alles wieder aufzuwühlen, sondern um dir zu sagen, dass ich es gutmachen will. Nicht an Worša, denn das kann ich nicht mehr. Aber an einem anderen Mädchen, das meine Hilfe noch dringender
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