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Das Mädchen aus dem All

Das Mädchen aus dem All

Titel: Das Mädchen aus dem All Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Jefremow
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die Russinnen waren, die Frauen aus Skandinavien oder England. Erst wenn mir das gelungen ist, werde ich zur Synthese kommen und das Abbild der heutigen Frau malen, in das das Beste von diesen drei Stammüttern eingeht.«
    »Warum eigentlich nur ›Töchter‹ und nicht auch ›Söhne‹?« erkundigte sich Weda lächelnd.
    »Muß ich Ihnen etwa erklären, daß das Schöne nach den Gesetzen der Physiologie bei der Frau vollendeter und ausgefeilter ist?« erwiderte der Maler unwillig.
    »Wenn Sie Ihr drittes Bild in Angriff nehmen, prüfen Sie, ob Weda Kong nicht dafür in Frage kommt«, schlug Ewda Nal vor. »Es gibt kaum . . .«
    Schnell stand der Maler auf.
    »Sie meinen wohl, ich sehe das nicht! Ich muß mich zusammennehmen, daß diese Gestalt nicht jetzt schon die andere verdrängt, die mich noch beschäftigt. Aber Weda . . .«
    »Sehnt sich nach Musik«, vollendete diese, leicht errötend. »Schade, daß hier nur ein Sonnenflügel vorhanden ist, der nachts nicht spielt!«
    »Handelt es sich um ein Halbleitersystem, das mit Sonnenlicht betrieben wird?« erkundigte sich Ren Boos, über die Sessellehne gebeugt. »Dann könnte ich den Flügel auf Empfängerstrom umschalten.«
    »Dauert das lange?« fragte Weda freudig.
    »Eine Stunde etwa.«
    »Das hat keinen Zweck. In einer Stunde kommen die Nachrichten über das Weltnetz. Wir waren von der Arbeit so in Anspruch genommen, daß wir den Empfänger zwei Abende lang nicht eingeschaltet haben.«
    »Aber Sie könnten uns doch etwas vorsingen, Weda«, bat Dar Weter. »Kart San hat noch ein guterhaltenes Saiteninstrument aus dem Dunklen Zeitalter der Feudalgesellschaft.«
    »Eine Gitarre«, sagte Tschara Nandi.
    »Wer spielt? — Ich werde es selbst versuchen. Vielleicht komme ich damit zurecht.«
    »Ich spiele!« Tschara erbot sich, zum Atelier zu laufen und die Gitarre zu holen.
    »Ich komme mit«, schlug Frit Don vor.
    Herausfordernd warf Tschara den Kopf in den Nacken. Durch einen Knopfdruck von Scherlis öffnete sich eine Wand der Veranda, und man konnte das östliche Ufer der Bucht völlig überschauen. Mit riesigen Sätzen jagte Frit Don davon. Tschara folgte ihm mit zurückgebogenem Kopf. Anfangs blieb sie zurück, aber das Atelier erreichten beide gleichzeitig. Sie verschwanden in dem dunklen, unbeleuchteten Eingang. Kurz darauf liefen sie schon wieder im Mondlicht am Ufer entlang, schnellfüßig und verbissen. Als erster erreichte Frit Don die Veranda, doch Tschara sprang durch ein offenes Seitenfenster und war somit vor ihm im Raum.
    Weda klatschte begeistert in die Hände.
    »Dabei war Frit Don im Frühjahr Sieger im Zehnkampf!«
    »Und Tschara Nandi war auf der Tanzhochschule. Beide Fächer hat sie absolviert: klassische und moderne Tänze«, bemerkte Karl San im gleichen Ton wie Weda.
    »Weda und ich haben auch tanzen gelernt, allerdings nur an einer einfachen Schule«, sagte seufzend Ewda Nal.
    »Die wird ja jetzt von allen besucht«, spottete der Maler.
    Tscharas Finger glitten langsam über die Saiten. Das junge Mädchen hob den Kopf und stimmte mit hellem Sopran ein wehmütiges Lied von einem unerfüllten Traum an. Das Lied war neu und stammte aus der Südzone. Weda fiel mit ihrer Altstimme ein und übernahm die Führung der Melodie. Das Duett machte einen starken Eindruck auf die Zuhörer; so verschiedenartig die beiden Sängerinnen auch waren, so gut ergänzten sie einander, Dar Weter blickte von einer zur anderen und wußte nicht, welche der Gesang anziehender machte: Weda, mit dem Ellbogen auf das Schaltpult des Empfängers gestützt, den Kopf unter dem Gewicht der aschblonden Zöpfe gesenkt, die im Mondlicht silbern schimmerten, oder Tschara mit der Gitarre auf dem nackten runden Knie, den Oberkörper leicht vorgebeugt. Ihr Gesicht war so tiefbraun, daß sich die Zähne und das Weiße in den Augen grell davon abhoben.
    Das Lied verstummte. Unschlüssig griff Tschara einige Akkorde. Dar Weter ging es durch Mark und Bein: Das war doch das Lied, das ihn einst Weda entfremdet hatte und das auch sie jetzt schmerzlich berühren mußte!
    Immer neue Akkorde jagten einander und erstarben, ohne miteinander zu verschmelzen. Eine abgerissene Melodie, wie Gischt, der ans Ufer stürzt, auf dem Sand auseinanderflutet und ins bodenlose dunkle Meer zurückfließt. Tschara sang selbstvergessen, mit klangvoller Stimme Worte von der Liebe, die durch die eisigen Tiefen des Weltraums von Stern zu Stern fliegt, um ihn, der den Kosmos erforscht, zu finden. Vielleicht

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