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Das Mädchen aus dem All

Das Mädchen aus dem All

Titel: Das Mädchen aus dem All Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Jefremow
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religiöser Fanatismus oder die Laune eines Gewaltherrschers war. Die Töchter des Südens führten ein schweres Leben, wodurch sie immer größere Vollkommenheit erreichten. Der Norden mit seiner geringen Bevölkerung und seiner kargen Natur kannte den Despotismus des Dunklen Zeitalters nicht. Dort blieben mehr Männer am Leben, war die Frau geachteter und geschätzter.
    Weda verfolgte jede Geste Tscharas und stellte in den Bewegungen eine erstaunliche Zwiespältigkeit fest: Sanftheit und Gier zugleich. Sanft waren die gleitenden Bewegungen und die Biegsamkeit ihres Körpers,die Gier hingegen drückte sich in den schroffen Übergängen aus, in den Wendungen, die mit raubtierhafter Schnelligkeit erfolgten. Das war die Geschmeidigkeit, die die dunkelhäutigen Töchter Gondwanas in ihrem Jahrtausende währenden Existenzkampf erworben hatten. Wie gut paßte sie zu Tscharas feinen, aber markanten kretisch-griechischen Gesichtszügen!
    Die Wellen des roten Lichts überfluteten Tscharas kupferfarbenen Körper, verloren sich in den dunklen Falten des glänzenden Stoffes, färbten die weiße Seide rosa.
    Plötzlich, ohne jedes Finale, brachen die stürmischen Klänge ab, erlosch das rote Licht. An der hohen Kuppel des Saals flammte die Beleuchtung auf. Das ermattete Mädchen neigte den Kopf, ihr dichtes Haar fiel über ihr Gesicht. Den Tausenden goldenen Lichtern folgte ein dumpfer Lärm: Die Besucher erwiesen Tschara die höchste Ehre — sie dankten ihr, indem sie sich erhoben und die gefalteten Hände zur Bühne streckten. Tschara wurde verwirrt, strich die Haare zurück und lief, den Blick auf die oberen Galerien gerichtet, von der Bühne.
    Die Festordner gaben eine Pause bekannt. Mwen Mass versuchte, Tschara in der Menge zu finden. Weda Kong und Ewda Nal indessen traten auf die riesige, einen Kilometer breite Freitreppe aus taubenblauem Glas hinaus, die vom Stadion direkt ins Meer führte. Der klare und kühle Abend lockte die beiden Frauen zum Baden.
    »Nicht umsonst ist mir Tschara Nandi sogleich aufgefallen«, begann Ewda Nal. »Sie ist eine hervorragende Künstlerin. Heute hat sie uns einen Tanz der Lebenskraft gezeigt. Genau das scheint mir Ausdruck für den Eros der Alten zu sein.«
    »Jetzt verstehe ich die Worte Kart Sans, daß die Schönheit wichtiger sei, als wir glaubten. Er hat das damals gut formuliert: ›Sie ist das Glück und der Sinn des Lebens!‹ Auch Ihre Formulierung ist zutreffend«, sagte Weda zustimmend. Sie zog die Schuhe aus und tauchte die Füße in das laue Wasser, das an die unteren Stufen klatschte.
    Ewda Nal warf die Kleider ab und stürzte sich in die Wellen. Weda hatte sie bald eingeholt, und beide schwammen der großen Insel zu, die anderthalb Kilometer von der Uferstraße des Stadions entfernt glitzerte. Die flache, nur wenig über den Wasserspiegel ragende Insel säumten mehrere Reihen von muschelförmigen Gebilden aus perlmuttfarbenem Kunststoff, groß genug, drei oder vier Personen vor Sonne und Wind zu schützen und gegen die Nachbarn abzuschirmen.
    Die beiden Frauen legten sich auf den weichen, federnden Boden einer solchen Muschel und genossen den frischen Geruch des Meeres.
    »Sie sind schön braun geworden, seit wir uns das letztemal getroffen haben«, sagte Weda zu der Freundin. »Waren Sie viel am Strand, oder haben Sie Pigmenttabletten eingenommen?«
    »Tabletten«, bekannte Ewda. »Ich habe nur gestern und heute in der Sonne gelegen.«
    »Wissen Sie wirklich nicht, wo Ren Boos ist?« fragte Weda.
    »Ich ahne es, und das genügt, um beunruhigt zu sein«, antwortete Ewda Nal leise.
    »Wollen Sie etwa . . .« Weda verstummte, ohne ihren Gedanken auszusprechen. Doch Ewda schaute sie mit offenem Blick an.
    »Für mich ist Ren Boos ein . . . hilfloser, noch unreifer Junge«, fuhr Weda zögernd fort. »Sie dagegen sind so zielsicher und willensstark.«
    »Dasselbe hat mir auch Ren Boos gesagt, aber Sie haben genausowenig recht wie Ren. Er ist ein Mensch mit ausgeprägtem Intellekt, erfüllt von großer Schaffenskraft. Sogar in unserer Zeit findet man nur wenige Menschen, die ihm gleichkommen. Sie haben mit Recht Ren einen Jungen genannt, aber gleichzeitig ist er im wahrsten Sinne des Wortes ein Held. Nehmen Sie Dar Weter. Auch in ihm steckt etwas Jungenhaftes, nur entspringt es bei ihm einem Übermaß an physischer Kraft, während es sich bei Ren aus deren Fehlen ergibt.«
    »Wie beurteilen Sie Mwen Mass?« fragte Weda interessiert. »Sie haben ihn doch jetzt besser

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