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Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Titel: Das Mädchen aus dem Meer: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Hohlbein
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Untertanen zu nähren, aber ebenso selbstverständlich benötigten alle anderen auch ausreichende, bezahlbare Mengen von Sternensilber, um alles, was fliegt oder schwimmt, in Bewegung zu halten und alle möglichen Rohstoffe von zum Teil sehr weit entfernten Orten auf der ganzen Welt zu holen und auf den Kontinent zu verfrachten.
    Aber Cocha sah das anders. Und Kratt natürlich auch. Die Paradieslosen waren der Meinung, dass mein Vater und die anderen durchaus mit weniger Sternensilber zurande kämen, wenn sie beispielsweise dem Landweg mehr Beachtung schenkten. Ochsenkarren seien keine Alternative, wandte ich ein, aber Kratt lachte mich aus, und Cocha sagte, man könnte zum Beispiel Dampfwagen einsetzen, wie man sie auch in den Steinbrüchen benutzt.
    Unvorstellbar, oder? Ich fand ja auch, dass man hier und da umdenken und neue Technologien entwickeln musste. Allein schon, um nicht mehr von Montania abhängig zu sein. Das mit dem Schwarzen Saft ist schon sehr vielversprechend, auch wenn es noch nicht so funktioniert, wie es sollte. Aber Dampfwagen? Der Landweg für lange Strecken? Es gibt ja kaum gepflasterte Straßen, und die sind auch noch so schlecht, dass dauernd Räder und Achsen brechen. Eine Straße für einen Dampfwagen muss vollkommen eben sein, jeder Riss und jede Wurzel, die sich durch den Weg frisst, kann die Maschine umwerfen und zerstören. Und in einer Dampfmaschine, die umfällt, will nun wirklich keiner sitzen.
    Aber Cocha ist manchmal ein richtiger Fantast. Er tut nur immer so vernünftig. Und ich war ihm absolut hörig vor Liebe. Ich wusste, dass seine Idee weder Hand noch Fuß hatte, aber ich wollte nicht deswegen streiten. Ebenso wenig wie wegen der Abschaffung von Walla, woran, wie ich unterwegs feststellte, ohnehin kaum jemand glaubte.
    Nun, weißt du, es ist …
    Ja, ich weiß, Barrum. Die Menschen reden nur nicht darüber, weil sie selbst kaum genug zum Leben haben, und wer nicht unmittelbar betroffen ist, weil er zum Beispiel selbst krank ist oder einen schlimm kranken Familienangehörigen hat, der sagt sich in aller Regel: Na ja, ich finde es ja auch nicht gut, aber ich persönlich will keinen fremden Krüppel in meinem Haus versorgen, und zahlen kann ich für die Bedürftigen auch nicht, und jetzt muss ich ohnehin die Ziegen melken und habe gar keine Zeit, weiter darüber nachzudenken. Und morgen ist auch schon Handelsfest, und die Kinder freuen sich doch so sehr auf die bunten Wagen und das Zuckerzeug, das von den Balkonen fliegt …
    Ich könnte dir die Idee von der Umverteilung, wie Kratt das System, das ihm vorschwebte, näher erläutern, aber da du ja selbst bei ihnen warst, ist es dir wahrscheinlich bekannt, oder? Dachte ich mir doch.
    Wenn die Faronen Cyprias nur auf die Hälfte aller unnötigen Reisen in von Primitiven besiedelte Gebiete verzichteten, so sagte Kratt außerdem, wäre man auch schon einen großen Schritt weiter. Er glaubte, sie rechneten sich nicht im Geringsten und dienten ausschließlich der Befriedigung des kranken Egos d er Oberschicht. Die Ausbeutung der Primitiven an sich, meint e Kratt, sei ohnehin an Unmenschlichkeit nicht zu überbieten, und so, wie Cocha sich gerade zu diesem Thema ereiferte, begriff ich auch endlich, warum er mir zu unserer gemeinsamen Schulzeit so sehr gezürnt hatte, als ich ihn ohne sein Wissen zu einer Exkursion zu den Kerichellen angemeldet hatte. Nicht, dass ich es unbedingt nachvollziehen konnte. Ich meine, für diese ungebildeten Menschen ist es doch letztlich egal, ob all ihre Opfergaben an vermeintlich besonderen Orten verschimmeln und verrosten, oder ob wirklich jemand kommt und den ganzen Kram abholt, oder? Wer zu wenig weiß, muss umso mehr glauben, und wenn sie nicht an uns glauben, dann glauben sie eben an irgendwelche fiktiven Gestalten und Geister, die ihnen im Gegenzug nicht einmal das Gefühl geben können, ihre Gebete erhört und ihre Opfer entgegengenommen zu haben …
    Wie auch immer.
    »Und was ist mit all dem Gold, das sie uns opfern?«, wandte ich nur vorsichtig ein, als Kratt behauptete, dass sich unsere Seefahrten und Flüge nicht lohnten. Ich wollte das jüngst gewonnene Vertrauen nicht gleich wieder mit einer allzu kritischen Frage zerstören. »Und mit dem Silber? Und mit all den Edelsteinen und den Dingen aus Elfenbein? Sie sind doch wertvoll, oder? Wir verschiffen ganze Manis voller Gold und Silber nach Cypria!«
    »Gold und Silber«, schnaubte Kratt verächtlich, »hat nicht den geringsten reellen Wert.

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