Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Titel: Das Mädchen aus dem Meer: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Hohlbein
Vom Netzwerk:
klammerte mich mit einer Hand an seinen Arm, während ich mit der anderen meinen erbärmlich jaulenden Welpen vom Boden auflas und schützend an meine Brust drückte.
    »Was bedeutet das?«, schnappte ich, denn im ersten Moment erkannte ich zwar ein kreisrundes Loch in der Decke und eine schwere Bleikugel im nunmehr rissigen Boden, konnte aber beides nicht zuordnen. Eisiger Wind pfiff durch die Öffnung zu uns herein, und wir hörten Rufe und Schreie und hektische Schritte, die über das Hauptdeck polterten.
    »Wir werden angegriffen!«, fluchte Cocha, packte mich am Oberarm und zerrte mich mit sich aus der Kajüte. »Bei Andromeda! Wir hätten damit rechnen müssen … Gormo fühlt sich bedroht und gibt die ersten Schüsse ab! Er hat den Verstand verloren!«
    Irgendwo schlug ein zweites Geschoss in das Schiff ein, und die Erschütterung riss uns beinahe von den Füßen.
    »Gormo?«, brüllte ich über den Lärm weiterer Kugeln hinweg, die in unmittelbarer Nähe unseres Manis auf dem Wasser aufschlugen. »Warum greift er euch an?«
    »Woher soll er wissen, wer auf diesem Schiff ist – und warum.« Cocha stieß mich vor sich her durch den zitternden und schwankenden Korridor auf den Aufstieg zu. »Ich habe Kratt geraten, ein kleines Handelsschiff zu nehmen, weil sich Gormo durch ein Kriegsmani provoziert fühlen könnte. Aber er wollte nicht. Er hat darauf spekuliert, dass Gormo es nicht wagt, ein solches Mani anzugreifen. Weil es eine Kriegserklärung wäre. Es ist eine Kriegserklärung!«, setzte er hinzu, und aus jeder Silbe klang Fassungslosigkeit.
    Hastig zog ich mich an den Sprossen hoch, die zum Oberdeck hinaufführten, was gar nicht so einfach war, denn ich schleppte ja noch immer den kleinen Beutelwolf mit. Und als ich die Luke gerade erreichte, drang ein lautes Zischen an meine Ohren – begleitet von einem Schwall sehr heißer Luft, der meine Nase von innen verbrannte und die Polarkälte im Umkreis von vielen Schritten mit Leichtigkeit in weite Ferne prügelte. Jemand hatte einen der Flammenwerfer angeworfen, und nun folgte auch der erste Kugelschuss unsererseits, was das Mani kaum weniger stark erzittern ließ als die Einschläge der feindlichen Geschosse zuvor.
    Ich verlor um ein Haar den Halt, trat Cocha aus Versehen vor die Brust, registrierte erleichtert, dass mein Fehltritt ihn nicht von den Sprossen befördert hatte, und zog mich der sengenden Hitze zum Trotz ins Freie. Ich musste achtgeben, um nicht zu dicht an den heißen Flammenwerfer zu geraten, den Tronto neben der Luke bediente, und auch die Gefahr, von einer Widerhakenkugel getroffen zu werden, war hier oben sicher größer als in der Kajüte. Aber wenn das Schiff sank, dachte ich und begriff erst jetzt, warum Cocha mich nach oben gescheucht hatte, dann würde ich auf dem Unterdeck garantiert ertrinken. Und daran, dass unser Mani sinken würde, zweifelte ich in dem Moment, in dem die ersten Eindrücke des Geschehens außerhalb auf mich einprasselten, nicht mehr im Geringsten.
    Der Krieg hatte begonnen.
    Das zumindest war der erste Gedanke, der mir durch den Kopf schoss, als die Flammen aus dem goldenen Drachen, den Tronto zum nunmehr dritten Mal schnell hintereinander zündete, meine Augen blendeten. Die Hitze, die von ihm ausging, versengte meine Brauen. Mein Beutelwolf jaulte und wand sich aus meinem Griff, um schnellstmöglich einen großen Abstand zwischen sich und die Flammen zu bringen, die im ersten Drittel vor dem goldenen Maul blau leuchteten. Quietschend und winselnd jagte mein kuscheliges Baby am Baummann vorbei und auf Kratt und Mikkoka zu, die gemeinschaftlich eine eigene Widerhakenkugel in eine der Kugelschleudern hievten und die Mündung steil nach oben ausrichteten.
    Und dann schlug eine weitere feindliche Kugel ein – eine Kugel, die nicht mit Widerhaken versehen, dafür aber fast doppelt so groß war. Sie brachte die Planken des Oberdecks zum Bersten, durchbrach sie aber aus irgendeinem Grund nicht, sondern rollte einen Schritt über das Holz und prallte von der verzinkten Kupferwand der Navigationskajüte ab. Das Schiff war in Schräglage geraten, und darum sprang die Kugel, während sie den Gesetzen der Schwerkraft folgte, fast bis auf Kniehöhe in die raucherfüllte Nachtluft. Als hätte jemand die Zeit manipuliert und dafür gesorgt, dass sie plötzlich viel langsamer verstrich, sah ich, wie sie sich langsam wieder auf das Deck hinabsenkte. Und wie mein Welpe auf der Flucht vor dem bedrohlichen Flammenwerfer denselben

Weitere Kostenlose Bücher