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Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Titel: Das Mädchen aus dem Meer: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Hohlbein
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Haar. Generell.«
    Ich wollte ihm ins Gesicht spucken, so sehr entsetzte und beleidigte mich seine Ode auf Anna, die Tümpelente. Wie konnte er nur so über meine größte Rivalin reden? Das war Verrat! Er hatte mir die Unschuld genommen, ich hatte ihn geliebt und ihm bedingungslos vertraut – und nun sagte er so etwas …!
    Doch ehe ich auffahren konnte, ließ er meine noch immer geballten Fäuste los und legte zwei Finger auf meine Lippen.
    »Aber ich war mir nicht sicher«, fuhr er fort. »Ich war nie nervös, wenn ich mich mit Anna traf. Ich vermisse sie nicht, wenn sie nicht da ist, obwohl ich sie wirklich gernhabe. Ich träume nicht von ihr, und da war auch nie dieses Kribbeln, das immer da ist, wenn du in der Nähe bist. Oder wenn ich nur an dich denke. Weißt du, was ich meine?« Ich zuckte die Schultern und bemühte mich darum, gleichgültig auszusehen. Aber natürlich wusste ich es ganz genau.
    »Schon damals … Erinnerst du dich daran, wie du mich in Hohenheim verprügelt hast?« Er lächelte verlegen.
    »Du hast mich verprügelt!«, betonte ich.
    »Wie auch immer …« Cocha schüttelte den Kopf. »Das hatte natürlich noch nichts mit dieser Sehnsucht zu tun, die erst viel später kam: im Mana nach Silberfels, um genau zu sein. Aber ich fühlte, dass da irgendetwas zwischen uns war. Etwas, das nur uns beiden gehörte. Etwas Einmaliges. Ich glaube, dass ich dich genau deshalb schon damals mit meiner Welt vertraut machen wollte, obwohl ich wusste, dass meine Mutter es mir sehr übel genommen hätte, wenn sie davon erfahren hätte. Ich wollte dir schon damals im Kerker erklären, dass deine Eltern dich belügen. Dass sie alle belügen.«
    »Und trotzdem hast du mit Anna geschlafen«, stellte ich fest.
    Cocha verneinte. »Das habe ich nicht«, behauptete er. »Wir hatten genügend Gelegenheiten dazu. Aber wir haben es nicht getan. Wir haben immer nur geredet. Oder einfach den Mund gehalten und uns die Sterne oder die Wolken am Himmel angesehen. Auch das war schön, aber näher sind wir uns nie gekommen. Ich wollte ganz sicher sein, dass sie die Frau ist, mit der ich mein Leben verbringen will, denn Mikkoka irrt sich. Ich bin keine Hure, Chita. Du warst die Erste und die Einzige, und ich möchte, dass das so bleibt. Obwohl du es einem manchmal ganz schön schwer machst, dich zu lieben«, fügte er mit einem schiefen Grinsen hinzu.
    Trotzdem: Was er gesagt hatte, war auf eine eigentümliche Weise viel schöner als diese Lobhudeleien über Anna, die mich gerade noch so verärgert hatten. Ich presste die Lippen aufeinander, während ich nach der richtigen Antwort auf seine kleine Rede suchte, und er küsste meine Nasenspitze.
    »War es das, was du wissen wolltest?«, flüsterte er. »Ich liebe dich, Chita, und ich will, dass du bei mir bleibst. Für immer.«
    Ja, dachte ich. Das war es, was ich hatte wissen wollen. Dringender noch als alles andere, was mich gerade noch so sehr aufgewühlt hatte. Trotzdem … Mein Verstand forderte noch immer Erklärungen, die meine Liebe legitimierten.
    »Was war also mit den Stiefeln?«, erkundigte ich mich matt. Aber ich wusste, dass ich mich mit jeder Antwort zufriedengeben würde – wenn er nur sagte, er habe so lange nach der passenden Größe gesucht, war schon wieder alles in Ordnung.
    Ich lehnte meine Stirn gegen seine Brust, während er antwortete: »Bis der Frost kam, war es nicht schön für dich, barfuß zu gehen, und das tut mir leid. Aber es war machbar. Bei allem, was wir tun, müssen wir Risiko gegen Nutzen abwägen. Darum konnten wir auch erst auf die Straße wechseln, als wir Norgal schon sehen konnten. Deshalb konnten wir auch erst am letzten Tag Rüstungen und Waffen beschaffen. Wir wollten vermeiden, dass man nach uns zu suchen beginnt. Das verstehst du doch, oder?«
    Träge zuckte ich die Schultern. »Ich …«, begann ich.
    Und dann traf die erste Widerhakenkugel unser Schiff.
    Der Aufschlag brachte das Mani zum Schwanken, und der Knall, mit dem die mannskopfgroße Kugel durch das Oberdeck brach, um im Boden gleich vor dem Bullauge meiner Kajüte stecken zu bleiben, war so laut, dass es noch Sekunden danach in meinen Ohren klingelte. Staub und Holzsplitter wirbelten auf, und für einen Moment fühlte ich mich wie eine Zeitreisende, die es zurück in die letzten Sekunden von Silberfels verschlagen hatte.
    Binnen eines Lidschlags standen wir beide aufrecht neben der Pritsche. Cocha hielt sich an dem in der Wand verankerten Schreibtisch fest, und ich

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