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Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Titel: Das Mädchen aus dem Meer: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Hohlbein
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für den dein Vater sich zudem nicht verantwortlich fühlte. Von allen Faronen Cyprias ist er schließlich der, der am lautesten fordert, die Mangelhaften und Schwachen nach Walla zu bringen, um dem Kontinent ein vollkommen fehlerfreies Erbgut bescheinigen zu können. Eine krankhafte Idee, wenn du mich fragst, und eine völlig utopische noch dazu. Aber ich will nicht zu weit ausschweifen.«
    »Besten Dank.«
    »Milo hatte jedenfalls auch gleich einen passenden Bewerber für die nun offene Lehrmeisterstelle parat. Und das war eben ich. Ich war wirklich zufällig in der Nähe, weil wir uns in regelmäßigen Abständen zum direkten Austausch trafen«, klärte Markannesch mich auf. »Ich ziehe die unmittelbare Konversation vor, wo auch immer es geht, um möglichst wenig Missverständnisse aufkommen zu lassen. Außerdem bewege ich mich, wie ich schon sagte, gern viel unter dem einfachen Volk. Nicht nur unter meinem eigenen. Ich kam also auf seine Empfehlung nach Hohenheim. Dein Vater war zufrieden, deine Mutter war am Boden zerstört, und Sora lernte natürlich trotzdem alles, was ein Junge seines Alters und Standes wissen muss. Wir verzichteten einzig auf Bücher und sinnvolle Zeichen an der Tafel, um kein Misstrauen zu erregen.«
    »Dann wusste Sora die ganze Zeit, wer du bist?«, riet ich.
    »Nein. Aber er wusste, warum dein Vater jemanden wie mich an den Hof geholt hatte, und ihm lag natürlich nichts daran, dass ich meinen Posten für einen richtigen Trottel räumen musste«, antwortete Markannesch (ich will ihn fortan weiter so nennen, weil er für mich immer Markannesch blieb – so hatte ich ihn kennengelernt, und der Name Gormo ist für mich bis heute mit negativen Gefühlen behaftet, obwohl das meiste, was man mir über ihn erzählt hatte, natürlich Unsinn war). »Wir arrangierten uns schnell und gut miteinander«, berichtete Markannesch. »Und ich habe Sora sehr gern. Am liebsten hätte ich auch ihn hier in Montania. Aber ich kann die medizinische Versorgung, die ihm aus Gründen, die mir schleierhaft sind, inzwischen doch geboten wird, beim besten Willen nicht gewährleisten. Auf diesem Gebiet ist es tatsächlich so, wie dein Vater behauptet: Mein Land hat einigen Nachholbedarf. Die wenigsten Körperkundigen kehren nach ihrer Ausbildung auf Lijm hierher zurück. Wenn sie einmal am Reichtum der goldenen Inseln oder des Festlands geschnuppert haben, findet der Duft der bescheidenen Heimat zumeist erst im weit fortgeschrittenen Alter ins Bewusstsein zurück.
    Nicht wenige kommen nur zurück, um zu sterben, wo sie geboren wurden, und genau das ist der Sinn der Schulstädte – allen voran natürlich Silberfels, als es noch in voller Pracht stand. Auf diese Weise wirbt dein Vater den weniger wohlhabenden Ländern die klügsten Köpfe ab. Aber ich halte ihm das nicht vor. Ich glaube, wenn ich die Möglichkeit hätte, würde ich das Gleiche tun.«
    »Sora ist mein Bruder und der Sohn meines Vaters«, erklärte ich matt. Warum, weiß ich nicht. Ich saß dem Erzfeind meines Vaters gegenüber, der zudem meinen kleinen Bruder entführt und mich mit Kratts Hilfe auf hinterlistige Weise in seine unheimliche Burgpyramide gelockt hatte, und trotzdem hatte ich nicht das Gefühl, mit einem schlechten Menschen zu reden.
    Im Gegenteil: Was Markannesch erzählte, klang schlüssiger, vernünftiger und ehrlicher als alles, was ich je von meinem Vater gehört hatte. Aber das war auch keine allzu große Kunst, denn meine Eltern hatten neben all der Politik nie viel Zeit für Sora und mich übrig gehabt. Erst mit Rossas Geburt (oder Kauf) hatten sie sich zu dem entwickelt, was man sich gemeinhin unter liebenden, aufmerksamen Eltern vorstellt, und im Nachhinein bin ich sicher, dass sich dieser Enthusiasmus im Laufe der kommenden Jahre auch schnell wieder gelegt hätte. Genau, wie es bei Sora und mir der Fall gewesen war.
    Ehrlich gesagt kann ich mich an kein einziges Mal erinnern, dass mein Vater so ruhig und entspannt auf meiner Bettkante gesessen und das Gespräch mit mir gesucht hatte, wie Markannesch es an diesem Tag tat. Meine Mutter schon, aber das auch nur, wenn etwas wirklich Schlimmes passiert war, wie zum Beispiel damals, als mein Vater Sora durch den Thronsaal geprügelt hatte. Aber er …?
    Nein. Er redete ständig über mich , wenn Besuch am Tisch saß. Aber mit mir hatte er sich eigentlich nie wirklich beschäftigt.
    Markannesch nickte. »Davon gehe ich nach wie vor aus. Und es hat mir immer sehr leidgetan zu sehen, wie

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