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Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Titel: Das Mädchen aus dem Meer: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Hohlbein
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die er vermutlich in absehbarer Zeit dringend angewiesen war. Dass er nichts vor mir zu verbergen hatte, bekräftigte er außerdem, indem er sich angewöhnte, mich nach Möglichkeit zur Ankunft eines jeden Spähers, der in die Pyramide einkehrte, herbeiholen zu lassen, damit ich über die Entwicklung in meiner Heimat immer gleich aus erster Quelle Bescheid bekam. Und ihn bei Bedarf natürlich unverzüglich mit Fragen überhäufen konnte.
    So erfuhr ich, dass Kratts Aufruf zum Aufruhr schnell Früchte getragen hatte. Glaubte man den Spähern, die ein- und ausschwirrten wie Honigbienen, tat man auf unseren Inseln bald gut daran, sich nur noch mit der doppelten Anzahl von Wächtern auf die Straßen hinauszubegeben, wenn man über Rang und Namen verfügte. Zahlreiche hochrangige Berater, Schriftführer, meinem Vater bekanntermaßen nahestehende Statthalter, Schatzmeister und allem voran natürlich Abgabeneintreiber wurden noch vor dem Frühjahr entführt oder gleich auf offener Straße erschlagen oder zumindest verletzt. Rathäuser brannten nieder, Schatzkammern wurden geplündert. Die Paradieslosen setzten alles daran, Lijm und Jama zu destabilisieren – und das zunächst mit Erfolg.
    Aber mein Vater griff mit harter Hand durch, und bald quollen die Kerker und Verliese über von Rebellen, die zum Teil jahrzehntelang nur auf dieses Kommando gewartet hatten, um ihrer Wut über die große Lüge, die Walla hieß, endlich freien Lauf zu lassen. Dabei beharrte er auf seiner Mär vom Paradies und wurde nicht müde, sein Volk immer wieder dazu aufzurufen, Vernunft anzunehmen, und schließlich verfrachtete er ganze Kerkerladungen inhaftierter Abtrünniger auf Manis, die sie nach Walla brachten.
    Und dann ließ er sie zurückkehren und sorgte irgendwie dafür, dass sie die Mär vom Paradies für die Alten, Schwachen und besonders hoch zu Belohnenden bestätigten.
    Wahrscheinlich hat er sich den vorgeblichen Sinneswandel dieser Menschen teuer erkauft, oder er hat sie im Vorfeld so lange foltern lassen, dass sie um nichts in der Welt zurück in den Kerker wollten – ich weiß es nicht. Und viele andere dachten genauso wie ich, sodass sie umso entschlossener gegen meinen Vater kämpften, wo auch immer sich eine Möglichkeit dazu bot.
    Aber viele glaubten diesen vermeintlichen Heimkehrern aus Walla eben doch, und so spaltete sich die Masse der Paradieslosen im Laufe des Frühlings in zwei Lager, nämlich in das der umso wütenderen und in das der ehemaligen, die ihre einstigen Gefährten zum Teil für Geld, viel häufiger aber aus Überzeugung an meinen Vater verrieten.
    Trotzdem hätte man meinen sollen, dass mein Vater mit den Unruhen und den damit verbundenen Problemen, die sich an allen möglichen Ecken und Enden auftaten, genug zu tun hatte, um sein Kriegsvorhaben gegen Montania zumindest auf die lange Bank zu schieben. Doch dem war nicht so.
    Schon im Frühjahr hatten sich immer mehr der Paradieslosen nach Montania abgesetzt. Mindestens zwei Dutzend von ihnen fanden sogar den Weg auf Gormos Motte. Sie bestätigten, worüber auch die Späher uns informierten: Mein Vater zog seine Truppen zusammen. Die Paradieslosen kamen, um Montania in der entscheidenden Schlacht zu unterstützen, Gormo zum Sieg zu verhelfen und meinen Vater sodann vom Thron zu stürzen. Genau, wie Kratt es mit ihm vereinbart hatte.
    »Ich weiß zu schätzen, dass sie hier sind«, bemerkte Markannesch an unserem letzten Tag in der Burgpyramide. »Aber ich weiß nicht mehr, wie ich sie alle ernähren soll. Sie werden verhungern, ehe die erste Widerhakenkugel fällt.«
    »Deine Speisekammer ist gut gefüllt«, stellte ich zweifelnd fest.
    »Ja«, antwortete Markannesch bestürzt. »Hier in den Sümpfen lässt es sich aushalten. Aber die Wälder werfen gerade genug für jene ab, die in ihnen leben. Im cyprischen Montania sieht es ganz anders aus, glaub mir.«
    »Schwer vorstellbar«, gestand ich.
    »Ja. Hier treffen in der Tat Welten aufeinander. In vielerlei Hinsicht«, bestätigte Markannesch. »Schätze dich glücklich, da ss du hierbleiben oder nach Hohenheim zurückkehren kann st. Dein Vater offeriert dir ein Angebot.« Er schob mir ein Pergament über den völlig überladenen Schreibtisch hinweg zu, hinter dem er auf mich gewartet hatte. »Er widerruft das Urteil, das er über dich gefällt hat, und wird dich mit offenen Armen empfangen, falls du binnen zweier Wochen heimkehrst. Offenbar steht der Angriff kurz bevor. Überlege dir gut, wie du dich

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