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Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Titel: Das Mädchen aus dem Meer: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Hohlbein
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nicht«, mischte sich Cocha erneut ein. »Aber es interessiert mich. Du kennst deinen Bruder erst seit zwei Jahren? Wie kann das sein?«
    »Irgendwann habe ich aufgehört, nach ihm zu suchen. Ich hatte ja nichts als seinen Namen«, antwortete Mikkoka. »Und als ich nach Silberfels kam, stieß ich auf ähnliche Weise zu den Pradieslosen wie die meisten anderen auch. Durch eine Verkettung von Zufällen eben. Und damit auch auf Kratt.« Sie zuckte die Schultern. »Ein sehr seltener Name. Glück für uns. Aber er hat mich belogen. Er hat mir verschwiegen, dass er die ganze Zeit über in Kontakt mit Gormo stand, und darum habe ich nachgehakt, wisst ihr?
    Gormo sagt, dass Kratt keineswegs als einer von uns nach Hohenheim gegangen ist, sondern sich den Abtrünnigen erst nach seiner Flucht angeschlossen hat. Auch das habe ich bis vor Kurzem nicht gewusst. Und es schmeckt mir nicht, versteht ihr? Ich bin eine Paradieslose, und ich bin bereit, bis zum letzten Tropfen Blut für all die Menschen zu kämpfen, die dein gewissenloser Vater in Massengräber stoßen lässt. Aber ich bin nicht bereit, mein Leben für irgendeinen persönlichen Rachefeldzug zu geben. Auch nicht, wenn mein eigener Bruder der Heerführer ist.«
    »Du glaubst, dass dein Bruder diesen ganzen Aufstand nur anzettelt, um sich für irgendetwas zu rächen?«, vergewisserte sich Cocha.
    »Ich fürchte, ja«, antwortete Mikkoka und streckte sich vollends auf meinem Bett aus. »Letztlich ist es zwar egal, was ihn antreibt. Loro bleibt ein Verbrecher, der Aufstand lässt ohnehin schon viel zu lange auf sich warten, und Kratts Botschaft von der Armee Montanias, die mit uns kämpfen wird, frisst sich in diesen Tagen wie ein Lauffeuer über den ganzen Kontinent. Selbst deinen Vater hat sie schon auf irgendeinem Wege erreicht, Jamachita. Wir können es nicht mehr stoppen, und das will ich auch nicht. Hätte mein Bruder nicht die Initiative ergriffen und alles daran gegeben, eine ernsthafte Struktur in die zahllosen Splittergruppen der Rebellen in ganz Cypria zu bringen, hätte es über kurz oder lang ein anderer getan, und das ist auch gut so. Trotzdem …«
    »Wenn du dich gerade so fühlst wie ich«, sagte Cocha und nickte verständnisvoll, »dann fühlst du dich wahrscheinlich hintergangen und benutzt.«
    »Willkommen im Club«, äffte ich Mikkoka düster nach, kehrte den beiden den Rücken und stürmte aus der Burgpyramide, um allein zu sein.
    Hinterlist, Tücke, Lüge und Verrat … Ich dachte, dass ich überhaupt nie wieder mit irgendjemandem sprechen wollte, weil ich es einfach nicht mehr ertragen konnte, enttäuscht zu werden, und ich brauchte mehrere Tage, um mich halbwegs zu beruhigen und meine Gedanken zu ordnen. Tage, in denen ich die Burg schon vor Sonnenaufgang verließ und nie vor Einbruch der Nacht zurückkehrte, um mein längst kaltes Essen dann still und leise im Dunkeln zu vertilgen und dabei nicht einmal mit Cocha zu reden, wenn er bemerkte, dass ich zurückgekommen war. Und das, obwohl ich noch immer schwach auf den Beinen und das Wetter ja nun wirklich mehr als unwirtlich war. Aber ich hatte genug von Menschen.
    Morgens pfiff ich mir eine Triumphstelze herbei und ließ mich von der Motte bringen, und danach streifte ich durch das finstere Dickicht und erkundete die Wälder zwischen den Mooren, während ich meinen düsteren Gedanken nachhing. Ich versuchte mit aller Willenskraft, Cocha zu glauben, dass mein Vater bloß Druck auf Gormo ausüben wollte. Aber immer, wenn ich mich selbst fast davon überzeugt hatte, kehrten die Bilder zurück …
    Mein Vater, wie er meinen Bruder so brutal durch den Thronsaal prügelte, dass ich um sein Leben fürchtete. Mein Vater, wie er meine Mutter angriff, die gerade ein totes Kind geboren hatte. Mein Vater, wie er die Leiche meiner Schwester eigenhändig zu dem brennenden Kuhkadaver warf … Er ist unberechenbar, sogar für mich, und er kann unglaublich hart sein. Ich traute ihm alles zu. Auch, dass er mich tatsächlich zur Rechtlosen erklärt hatte.
    Ich hatte keine andere Wahl, als mich damit abzufinden, und so streifte ich verbittert durch die Wälder, bis Hunger und Kälte mich in Gormos Burgpyramide zurückzwangen, und dachte darüber nach, wie ich wenigstens Sora aus Hohenheim holen und irgendwo in Sicherheit bringen könnte, wenn sich der Krieg nicht vermeiden ließ. Bestimmt hatte Markannesch eine Möglichkeit. Aber was geschah dann?
    In ganz Montania gab es wahrscheinlich keinen einzigen Körperkundigen,

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