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Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Titel: Das Mädchen aus dem Meer: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Hohlbein
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damit sollte er auch recht behalten), tue meinen Eltern wirklich gut. Insbesondere meinem Vater, der sich nicht nur rührend darum kümmerte, als sei es wirklich sein eigenes Kind, sondern fortan sogar wieder mit Sora sprach.
    So hatte der Tod meiner Schwester letztendlich sogar etwas Gutes: Mein Vater hatte erkennen und einsehen müssen, dass Soras Mangel keineswegs auf seine Glitzerwasser- und Rauchwareneskapaden zurückzuführen war, sondern auf das Blut, das in seinen Adern floss. Jahrelang hatte er spekuliert, dass ein Kind von solch eigennützigem, verantwortungslosem Charakter und labiler Gesundheit nicht sein eigenes sein könnte. Jetzt war klar, dass sowohl Sora als auch ich uns glücklich schätzen konnten, wenigstens nicht mit einem Loch im Gaumen geboren zu sein. Und natürlich auch mein Vater, den das gegenüber der Öffentlichkeit in große Erklärungsnot gebracht hätte, wo er doch die eigene Missbildung schon immer unter einer vermeintlichen Marotte verbergen musste, um das Volk nicht unnötig zu verunsichern.
    Die einfachen Leute sind so, weißt du? Sie sehen, dass der, der sie beschützt, irgendeinen Mangel hat, und fühlen sich prompt nicht mehr sicher. Sie werden unruhig. Unsere Faronen erfüllen nicht zuletzt auch ein bisschen den Zweck der Götter, die wir nicht haben: Sie erscheinen groß und mächtig und nahezu unverwundbar, beschäftigen sie doch die besten Körperkundigen der Welt. Die Faronen bieten den Menschen Schutz, Halt, Sicherheit und Beständigkeit. Und wenn sie – zumeist in sehr hohem Alter – sterben, dann ist die Erbfolge längst gesichert, und ein neuer großer, starker Faro oder eine schöne, wortgewandte Faronin besteigt den Thron, und die Menschen fühlen sich gleich wieder gut aufgehoben und haben jemanden, zu dem sie aufsehen und von dessen scheinbar perfektem Dasein sie träumen können. Und dem oder der sie nacheifern, wo auch immer sie können; daher die fürchterlich strenge Etikette. Wir müssen Vorbilder sein, verstehst du?
    Aber wer eifert schon einem Mann mit einem Loch im Gaumen nach, der in fünfzehn Jahren drei Kinder gezeugt hat, von denen eines sterbenskrank ist und ein anderes so gut wie tot geboren wurde?
    Mein Vater hat vernünftig gehandelt, als er entschied, den Mund niemals in der Öffentlichkeit aufzutun, und auch, als er meine tote Schwester durch ein gesundes Kind ersetzen ließ. Außerdem zeigte er sich jetzt auch Sora gegenüber endlich von seiner vernünftigen Seite. Ja – offenbar plagte ihn sogar ein ziemlich schlechtes Gewissen, denn noch bevor Rossa krabbeln konnte, bekam Sora einen neuen, wirklich hervorragenden Lehrmeister. Einen Heerführer zwar, aber wenigstens ersparte man meinem Bruder den praktischen Unterricht, womit die Gefahr, dass er durch eine Waffe zu Schaden kam oder gar einer schlimmen Verletzung erlag, den Sternen sei Dank vom Tisch war.
    Markannesch durfte – auf die Bitte meines Bruders hin – trotzdem in Hohenheim bleiben. Er verlangte ja nach wie vor keinen Lohn für seine Dienste, und Sora hatte ihn in sein krankes, aber sehr großes Herz geschlossen. Außerdem stellte mein Vater einen weiteren Körpermeister samt Novizen ein, damit sich Hommijr und Lammek fortan ausschließlich um Sora kümmern konnten. Das machte ihn zwar auch nicht auf Anhieb gesund, aber sein Zustand verbesserte sich doch sichtlich, sodass es mir nicht mehr ganz so schwerfiel, ihn im vierten Sommer nach Rossas Geburt in Hohenheim zurückzulassen, als für mich die Zeit gekommen war, nach Silberfels zu reisen. Dort sollte ich die Hohe Schule besuchen. Ich wusste, dass er so gut aufgehoben war, wie es eben nur ging, und dass er auch noch da sein würde, wenn ich im Winter zurückkehrte, um die Ferien bei meiner Familie zu verbringen.
    Meine Familie, meine Freunde und der Hofstaat verabschiedeten mich mit einem wunderschönen Fest – mein Vater sparte an nichts. Es gab exotische Speisen und Getränke im Überfluss, die besten Musiker der Insel spielten meine Lieblingslieder, und zuletzt bekam ich von jedem Gast etwas geschenkt. Unsere Knechte brauchten Stunden, um all die kleinen und großen Schmuck- und Kleidungsstücke, Bücher, Präsentkörbe und anderen Aufmerksamkeiten in meinem Zimmer zu verstauen, das am Ende des Tages einer gut gefüllten Schatzkammer glich, doch das Schönste und Wichtigste, was ich bekam, war das hier …
    Siehst du diesen Anhänger? Dieses kleine Herz an meiner Kette?
    Ja, aber …
    Es ist ein Rhodolith. Sora hat ihn mir

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