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Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Titel: Das Mädchen aus dem Meer: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Hohlbein
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nicht mehr viele davon, und sie sind sehr scheu. Außerdem vertragen sie absolut kein Licht. Sie hausen unter euren Hügeln. In diesen unterirdischen Höhlen, in denen es Seen voller blinder Fische gibt …
    Unter Vulkas Berg? Unmöglich!
    Doch, dort leben Uppaketen. Sie stammen wahrscheinlich von der gleichen Primatenart ab, aus der auch wir uns im Laufe von Jahrmillionen entwickelt haben. Aber sie sind nicht viel größer als ein Männerfuß, ganz und gar nackt und außerdem strohdoof. Mein Bruder hat mich ab und an damit aufgezogen, dass mein angeblicher Eierkopf an den Schädel eines Uppaketen erinnert, aber das stimmt nicht. Ihre Köpfe sind noch viel eieriger. Ihre Gehirne sind recht groß, aber sie sind trotzdem dumm wie Haferbrei. Entweder, hat Moijo mir erklärt, hat sich ein Teil unserer animalischen Ahnen in die Höhlen zurückgezogen und dort nach und nach sein Fell verloren, oder ein paar sehr frühe Menschen haben sich dort eingenistet und ihren Verstand irgendwo außerhalb gelassen. Das lässt sich nach so langer Zeit kaum noch sagen, zumal Uppaketen wirklich sehr, sehr selten vorkommen. In meinem ganzen Leben habe ich nur ein einziges Exemplar zu Gesicht bekommen, und das schlummerte seit Jahrzehnten in einem gläsernen Block in Silberfels. Nun wird es wohl nicht mehr da sein.
    Du redest wirr! Was genau ist das, was du da trinkst? Ist es … magisch? Oder doch gefährlich?
    Weder noch. Und wir trinken es beide. Hier … Nun mach schon. Außerdem sage ich dir nur die Wahrheit. Genau wie ich es versprochen habe.
    Ich weiß, ihr glaubt an diese alberne Geschichte mit den beiden Sternen, die vom Himmel fielen und von den Göttern in Menschen verwandelt wurden, die fortan ihre Schöpfung bewachen sollten. Aber das ist ebenso unsinnig wie das Gerede von der Kuh, die den ersten Menschen gebar – das erzählen sich die Mikken im Osten. Eine großartige Geschichte, aber eben vollkommener Schwachsinn. Du und ich – wir alle – stammen von einer Primatenart ab, die sich vor großen, gefährlichen Tieren an Land, die ihr zudem das Futter wegfraßen, ins Wasser flüchtete. An die Strände der Meere, die Ufer der Seen oder beides. Nur der Kopf blieb fast immer über Wasser. Das ist der Grund, warum uns dort noch die meisten Haare wachsen, und auch der Grund, aus dem Neugeborene schwimmen können …
    Womit wir endlich wieder beim Thema wären. Du bringst mich aber auch immer durcheinander, Froh …
    Mein Bruder hieß also Rossa – benannt nach der Insel Rossa, die seit Kurzem uns gehörte. Damit lieferte mein Vater dem Volk wieder Zunder für den Schwelbrand des Spottes, zu dem das Feuer der bösen Zungen nach Bekanntwerden der Schwangerschaft meiner Mutter heruntergebrannt war. Es gab eine Reihe fieser Scherze über Inseln und Faronenkinder, und ein paar davon waren sogar richtig gut, wenn du mich fragst. Anfangs lachte ich mit über diese gemeinen Witze, denn zunächst verübelte ich es niemandem mehr, wenn er schlecht über meinen Vater sprach. Als man uns diesen Säugling, von dem ich bis heute nicht weiß, woher er plötzlich kam, als unseren kleinen Bruder vorstellte, sank mein Vater auf der Leiter meiner Achtung erst einmal auf eine Sprosse, die ziemlich tief lag, wie du dir vielleicht vorstellen kannst.
    Mein Vater muss noch in der Nacht eigens ein Mani in die nächste große Hafenstadt geschickt haben, um meine tote Schwester zu ersetzen. Bestimmt hat er Rossa einer gesunden, aber armen Familie aus der Unterschicht abkaufen lassen, oder das Baby kam aus einem Findlingshaus. Zudem sind sicher Bestechungsgelder geflossen – oder er hat den wenigen Eingeweihten für ihr Schweigen ein glückliches Leben in Walla versprochen. Ich weiß es bis heute nicht. Ich habe ihn nie danach gefragt.
    Ich sprach nicht über das, was ich wusste, und auch mein Bruder schwieg und spielte das Spiel, das sie uns aufnötigten, wacker mit. Anfangs war ich wirklich außer mir vor Wut und Enttäuschung. Sie logen uns, ihren eigenen Kindern, schamlos ins Gesicht. Beide. Auch meine Mutter. Und ich redete auf Sora ein, dass wir sie zur Rede stellen und Antworten verlangen sollten, insbesondere auf die Frage, woher dieses propere, rundum gesunde und trotzdem unentwegt plärrende Baby auf einmal kam, das garantiert nicht das Kind meiner Eltern war.
    Aber Sora redete auf mich ein, dass es keinen Sinn mache, Ärger zu provozieren. Letztlich erweckte das unsere Schwester auch nicht wieder zum Leben, und das Baby, so behauptete er (und

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