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Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Titel: Das Mädchen aus dem Meer: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Hohlbein
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Zimmers, das schlicht und funktionell eingerichtet war wie alle anderen auch. Ich hatte die halbe Nacht geheult und fühlte mich wie erschlagen, doch schlafen konnte ich noch immer nicht.
    Innerlich war ich aufgewühlt wie zuletzt nach dem Tod meiner Schwester. Es gibt kaum etwas Intensiveres als Liebeskummer in der Pubertät, und bis zum Nachmittag gab ich mich voll und ganz meinem Selbstmitleid hin. Doch als die Sonne hinter meinem Fenster, durch das man, wie durch alle anderen der Stadt, zwar hinaus-, aber nicht hineinblicken konnte, ihren höchsten Punkt erreichte, hielt ich die Untätigkeit aller körperlichen Erschöpfung zum Trotz nicht mehr aus. Ich stand auf, platzte in das Zimmer meiner Mitbewohnerin Mimmo und versprach ihr mein bestes Paar Schuhe dafür, dass sie mir Annas Hausnummer besorgte, ohne blöde Fragen zu stellen. Mimmo hatte einen außergewöhnlich großen Freundeskreis, und so war ich nur wenige Minuten später um eine Auskunft reicher und ein sehr gutes Paar Stiefel ärmer, was ich ein paar Wochen danach bitter bereute.
    Wie ich schon befürchtet hatte, war Cocha nicht in seinem Schülerhaus. Wieder war nur Golondrin da, der den Unwissenden spielte, als ich auf meinem Karren vorfuhr. Um sicherzugehen, dass er mich nicht belog, verschaffte ich mir mit dem Hinweis, Cocha auch wegen Vernachlässigung seiner Patenpflichten anschwärzen zu können, Zutritt zum Haus und durchsuchte alle Zimmer. Er war wirklich nicht da, also steuerte ich entschlossen auf Annas Haus zu.
    Golondrin folgte mir widerwillig und ließ in keiner Sekunde davon ab, mich zu beschwören, Cocha doch einfach ein paar Tage in Ruhe zu lassen. Schließlich, so sagte er, brauchte ich seine Hilfe doch nicht wirklich, und wenn doch, dann böte er sich gern an, ihn als Paten zu vertreten, bis sich sein Freund ein bisschen beruhigt hatte. Aber ich reagierte überhaupt nicht auf sein Gerede, sondern hämmerte mit der Faust gegen die Tür der Nummer Neunundachtzig, als ich sie erreichte.
    »Cocha!«, fluchte ich, als sich zwar Schritte von innen näherten, ich aber fand, dass es ein bisschen schneller gehen könnte. Wahrscheinlich, mutmaßte ich außer mir vor zügelloser Eifersucht, musste er im Gehen noch in seine Beinkleider schlüpfen. Darum dauerte es so lange. »Mach sofort auf, oder du verbringst deine freien Tage bis zur Wintersonnenwende in den Latrinen!«, drohte ich lautstark.
    Die Tür öffnete sich einen Spalt. Aber es war nicht Cocha, der mich im nächsten Augenblick zweifelnd von Kopf bis Fuß maß, sondern ein Mädchen, das ich nicht kannte; offenbar eine von Annas Mitbewohnerinnen. Sie hatte tiefschwarze Locken und recht dunkle Haut, fast wie eine Primitive. Aber das war sie natürlich nicht. Offenbar stammte sie vom äußersten Rand des Festlands.
    »Kann ich dir helfen?«, erkundigte sie sich halbherzig. Tatsächlich sprach sie einen grausigen akkabäischen Dialekt, der mir in den Ohren schmerzte. Ich kann cyprische Dialekte nicht ausstehen. Unsere Sprache ist viel zu schön, als dass man sie mit Vereinfachungen verstümmeln dürfte.
    »Kannst du nicht!«, fauchte ich, drückte die Tür einfach auf und schob das fremde Mädchen beiseite, obwohl es natürlich lautstark protestierte.
    »Welches ist Annas Zimmer?«, verlangte ich zu wissen, sobald ich im Flur stand und die Tür hinter mir wieder zugeschlagen hatte. Die Krieger mussten wirklich nicht alles mitbekommen, und wenigstens die Privat- und Lehrräume waren für sie tabu.
    »Ich kann dir nicht helfen«, beteuerte die Akkabäerin hochnäsig und rollte im nächsten Moment genervt die Augen, weil es erneut, aber dieses Mal eher zaghaft klopfte. Ich hatte Golondrin die Tür vor der Nase zugeschlagen, und das fremde Mädchen ließ ihn herein, ohne irgendwelche Fragen zu stellen.
    Sie steckten alle unter einer Decke, registrierte ich zornig. Sie waren Teil einer eingeschworenen Truppe, der Cocha angehörte und von der ich ausgeschlossen war. Oh, ich war so enttäuscht! Schlimmer hätte es kaum noch kommen können – nicht einmal, wenn ich Cocha und Anna gleich nackt in einem der Zimmer erwischte.
    »Chita«, ermahnte mich Golondrin, während ich konsequent die erste der drei Zimmertüren aufriss, die vom Flur abzweigten. »Jetzt nimm dich ein bisschen zusammen. Du kannst Cocha nicht zwingen, sich unentwegt mit dir zu beschäftigen.«
    »Nicht?«, ließ ich verächtlich verlauten und kontrollierte wutschnaubend den Raum, der hinter der Tür lag und genauso aussah wie

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