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Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Titel: Das Mädchen aus dem Meer: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Hohlbein
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hatten, gerade in dieser Sekunde zu Ende, und meine Stimme jagte wie ein Bolzen durch den ganzen Saal, prallte von der Wand ab und kehrte auf einem umfassenden Zickzackkurs zu mir zurück. Wer uns nicht ohnehin schon heimlich aus den Augenwinkeln beobachtet hatte, schaute jetzt offen zu uns hin, und Cocha verschluckte sich fast an seiner Mammutmilch und versteifte sich.
    »Ich hab’s auch beim ersten Mal schon verstanden«, knurrte er in unwilligem Ton, den ich bis dahin nicht von ihm kannte und auf den ich mir im Zusammenhang mit dem, was ich ihm gerade verkündet hatte, keinen Reim machen konnte. Ich beschloss, dass es mir egal sein sollte, dass jeder im Musikhaus meine Worte gehört hatte, weil es von mir aus ruhig die ganze Welt wissen sollte, um die frohe Botschaft mit mir zu feiern. Aber allem voran sollte natürlich Cocha es tun.
    Der aber erhob sich mit einem Ruck von seinem Platz und steuerte auf ein Trio potenzieller Navigatoren zu, das nicht weit von uns entfernt um einen Dienstjungen mit einem Tablett herumstand und erst wieder miteinander zu reden begann, als ein neues Lied angespielt wurde.
    Ich war so aus dem Konzept geworfen, dass ich ihm zunächst nur mit offenem Mund nachstarrte. Aber als sich Anna zu den Navigatoren gesellte, löste ich mich aus meiner Erstarrung, sprang auf und machte einen Satz auf sie zu. Doch Cocha, der es aus dem Augenwinkel beobachtet hatte, stellte sich entschieden zwischen mich und meine vermeintliche Kontrahentin.
    »Lass sie in Ruhe, Chita«, fuhr er mich an. »Sie hat dir nichts getan.«
    Ich stieß ihm mit beiden Fäusten vor die Brust. In der einen hielt ich noch immer den Brief, den er nicht einmal hatte lesen wollen. Er war von meinem Bruder, und die Nachricht, die er enthielt, war wunderbar. Trotzdem machte es mir in diesem Moment nichts aus, dass ich ihn völlig zerknüllte, als ich Cocha schlug.
    »Simpel!«, schnappte ich, rempelte ihn beiseite und stampfte enttäuscht und so schnell ins Freie, dass es den Kriegern schwerfiel, mich im allgemeinen Gedränge nicht aus den Augen zu verlieren. Zum zweiten Mal an diesem Abend spürte ich, dass mir die Tränen kamen, und wieder einmal schämte ich mich. Ich meine: Es ist ganz normal, ab und zu zu weinen, wenn irgendetwas Schlimmes passiert oder ganz allgemein zu viel Druck auf einem lastet. Aber gleich zweimal an einem einzigen Abend wegen einem Mann zu flennen, der dick war und rothaarig und keine Sonne vertrug und sich in aller Heimlichkeit mit einem dummen, unscheinbaren Mädchen aus der oberen Mittelschicht vergnügte? Das war schon ziemlich peinlich.
    Ich wollte nicht, dass mich jemand heulen sah, und darum rannte ich so schnell ich konnte, die Straße hinab, weit weg vom Musikhaus und all den Stimmen, die über mich herzogen und mich auslachten – allein schon, weil Cocha mich ganz offensichtlich und im wahrsten Sinne des Wortes hatte sitzen lassen. Ich wollte fort von der Fröhlichkeit der anderen, die mich nur noch unglücklicher machte, als ich ohnehin schon war, und vor allem weg von Cocha, der so einfältig und gemein war, dass er mich überhaupt nicht verdiente.
    Dennoch war ich unendlich traurig darüber, wie er mich abgefertigt hatte. Und trotzdem war ich erleichtert und froh, dass er mir folgte und mich sogar einholte, obwohl er doch so unsportlich war und ich wirklich fast so schnell rannte, wie ich konnte.
    Er erwischte mich an einer Schulter und hielt mich fest, und ich tat so, als ob ich mich losreißen wollte. Aber in Wirklichkeit wollte ich, dass er mich in den Arm nahm und sich bei mir entschuldigte und mich tröstete.
    Und das tat er dann auch.
    »Ich habe mich so auf heute Abend gefreut«, schluchzte ich, während er mich an seine Brust drückte und mir den Nacken kraulte – ganz genau so, wie ich es mir vorgestellt hatte, nur aus einem anderen Grund. »Ich wollte dich mit einem Ausritt überraschen … Aber dann bist du einfach mit Anna verschwunden. Ich habe auf dich gewartet, und ich wollte, dass du dich mit mir freust, weil Sora … Ich dachte, du magst ihn. Ich dachte, wir feiern sein Glück. Ich meine: dass Hommijr es jetzt endlich darf und kann, weißt du? Dass er ihm ein neues Herz geben kann. Aber du …« Ich schaute mit tränenfeuchten Augen zu ihm auf und schüttelte verständnislos den Kopf. »Aber du«, fing ich von vorne an, als seine Miene reglos blieb, »du tust einfach so, als sei es dir egal und gehst zurück zu deinen Gefährten. Und zu Anna. Aber es kann dir doch nicht

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