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Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Titel: Das Mädchen aus dem Meer: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Hohlbein
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Mikkoka mich auch schon zurück durch die finsteren, engen Stollen. Meine Krieger, so erfuhr ich unter wenig damenhaftem Gezeter von Mikkokas Seite, hatten mir genau eine halbe Stunde Zeit gegeben, meine persönlichen Belange mit dem Sohn des Bürgermeisters von Kirm zu regeln, ehe sie das Haus stürmen und mich wegen des Verdachts der Unzucht beim Dekan abgeben würden.
    Als wir die Bodenplatte in Mikkokas Zimmer gerade über den Schacht gehievt hatten, trat einer von ihnen auch schon die Tür ein. Und obwohl sich der Verdacht auf Unzucht selbstverständlich augenblicklich in übel riechende Luft auflöste, brachte man mich trotzdem zum Dekan.
    Und von dort aus ins Ruhehaus, wo ich in den kommenden zehn Tagen zwischen vielen vergeblichen Versuchen des Verhörs seitens des Dekans und einiger Lehrkräfte all die Blessuren auskurierte, die ich mir im Laufe dieses ereignisreichen Tages zugezogen hatte.

24
    D u hast Cocha also nicht verraten?
    Nein. Ich wollte ihm eine faire Chance geben, sich zu erklären und sich von diesen Verbrechern im Fels zu distanzieren.
    Schau nur, ein Ei!
    Ja, und zwar ein ziemlich großes. Vermutlich stammt es von einem Stotterer. Weißt du, was das bedeutet? Es bedeutet, dass wir uns Dutzende Meter über dem ursprünglichen Meeresspiegel befinden … Es ist entsetzlich, Froh … Was tust du da?
    Ich brüte es aus.
    Wie bitte?
    Ich möchte wissen, ob du die Wahrheit sagst.
    Ach, Froh … Wir sollten es besser aussaugen. Ich habe wirklich Hunger und Durst.
    Ich werde nach weiteren Maulbeeren tauchen.
    Einverstanden. Und dann saugen wir das Ei aus.
    Weißt du, damals im Ruhehaus von Silberfels kam ich mir anfangs auch ein wenig vor wie ein Vogelei in einem Nest. Allerdings in einem fremden Nest. Und all die Menschen, die in dieser Zeit an meinem Bett standen und auf jedwede Weise versuchten, irgendetwas aus mir herauszubekommen, das mit meinen Verletzungen zusammenhing, waren Stotterer mit nadelspitzen Zähnen. Einzig die Neugier auf das, was dieses rissige kleine Ei da wohl barg, hielt sie davon ab, mich in tausend Stücke zu zerhacken. Aber ich hielt dicht.
    Sie hatten Annas Haus bis in den letzten Winkel durchsucht, um das Mysterium, das ich dieser Tage für sie darstellte, irgendwie zu ergründen, aber den Schacht hatten sie nicht entdeckt. Dazu hätten sie schon auf die Idee kommen müssen, die Bodendielen abzutragen, was zum Glück nicht geschehen war. Und auch Cocha, Golondrin und Mikkoka, die mit mir im Haus gewesen waren, als meine bezahlten Schläger, wie Mikkoka sie verächtlich nannte, die Tür eingetreten hatten, schwiegen sich tapfer über ihr Geheimnis aus, ganz gleich, womit man ihnen drohte. Und das, obwohl man sie zwischenzeitlich sogar in ein en der Primitivenkäfige unter dem Theater sperrte, um ihren Widerstand zu brechen. Aber eher wären sie in ihrem würdelosen Gefängnis versauert oder hätten Silberfels für immer verlassen, als den Mund aufzumachen.
    Und wahrscheinlich hätten sie auch schon bald die Heimreise angetreten, hätte ich mich nicht so sehr für sie eingesetzt, indem ich den Dekan davon überzeugte, dass ihm eine Zukunft in den Salzminen sicher sei, wenn er mich und meine Freunde nicht endlich in Frieden ließe. Natürlich hatte ich nicht die geringste Ahnung, wie ich mich vor meinem Vater erklären sollte, falls der Dekan ihm tatsächlich von den Ereignissen berichtete. Aber als ich wieder halbwegs auf dem Damm war, war ich zumindest ganz gut darin, so zu tun, als wüsste ich, dass ich nur als Gewinnerin aus diesem Machtspiel herausgehen könnte. Und so kam es tatsächlich, und ich durfte bald zurück in mein Schülerhaus. Cocha und die beiden anderen wurden freigelassen und nicht weiter behelligt – obgleich man natürlich ein Auge auf uns alle hatte, was uns bewusst war und davon abhielt, in den kommenden Wochen noch einmal von dem Schacht in Annas Haus Gebrauch zu machen.
    Warum auch? Es gab ja noch zwei weitere Abstiege, wie Cocha mir anvertraute. Aber die waren für mich bis auf weiteres tabu.
    Du ahnst es schon: Es gelang mir nicht, Cocha von seinen Gefährten zu trennen. Aber das wollte ich auch nach kurzer Zeit nicht mehr. Und das nicht nur, weil ich ihn so unendlich liebte, sondern weil er mich tatsächlich von seiner Sache überzeugte. Er war und ist eben ein großer Redner. Und groß war auch die Parallelwelt, von der ich nur ein winzig kleines Stück zu Gesicht bekommen hatte, als wir in den Untergrund hinabgestiegen waren. Annähernd hundert

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