Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)
los?“, doch dann winkte sie ab, als er zu einer Antwort ansetzte. „Sag nichts! Ich weiß es schon: Es wird Krieg geben.“
„Woher weißt du …?“, fragte Jacob müde und wischte sich mit einer trotzigen Handbewegung über die Augen.
„Der Prinz hat es mir erzählt. Ich glaube, er freut sich sehr darüber.“
„Er freut sich!“ Der Stallbursche lachte kurz und bitter auf. „Er freut sich, natürlich. Aber weißt du, was geschehen wird, Reeva?“ Er richtete sich auf, und das Mädchen wich zurück, als es den Ausdruck in seinem Gesicht sah.
„Sein Vater und er werden mit Pomp und großem Gehabe in den Krieg ziehen, und sie werden unzählige Männer mit sich nehmen. Bauern, Reeva, Handwerker! Natürlich nicht nur, oh nein. Aber auch das wird ihnen recht sein, um ihr Heer aufzustocken.“
Er packte Reeva an den Schultern. „Mich wird er auch mitnehmen. Ich werde in eine große, ruhmreiche Schlacht ziehen und meine Familie zurücklassen. Was soll dann aus ihnen werden?“
Jacobs Stimme erstarb; er ließ das Mädchen los und wandte sich ruckartig von ihm ab.
***
Der Stallbursche und seine Mutter sprachen während des Abendessens kein Wort. Nachdem die Kleinen müde geworden und ebenfalls verstummt waren, wirkte das Schweigen so bedrückend, dass Reeva glaubte, es durchbrechen zu müssen:
„Könnt ihr mir sagen“, begann sie vorsichtig, „was eigentlich genau im Krieg passiert?“
Als Jacobs Mutter antwortete, entdeckte Reeva, dass sich dabei kleine Falten um ihren Mund bildeten – sie fragte sich, warum ihr das bisher noch nie aufgefallen war. „Menschen sterben, Reeva. Sie sterben für eine Niederlage oder für einen Sieg, aber das ist einerlei: Auch wenn der König und sein Sohn in einem Triumphzug zurückkehren und berichten, sie hätten den Feind mit Leichtigkeit geschlagen – auch dann lassen sie Tote auf dem Schlachtfeld zurück. Es existiert kein vollkommener Sieg. Immer wird es Frauen geben, deren Väter gefallen sind, oder deren Ehemänner … oder deren Söhne.“
Reeva schüttelte verwirrt den Kopf. „Aber der Prinz sieht das nicht so! Es klingt, als spräche er über eine völlig andere Sache als du. Er erzählte mir von vereinten Kräften und Eroberungen, und er sagte, es sei wie ein Spiel – ein Kinderspiel.“
Unwillkürlich blickte sie hinüber zu dem Winkel, in dem Jacobs kleine Geschwister zu spielen pflegten: Dort lagen eine kleine Lumpenpuppe, ein hölzerner Kreisel, ein Ball.
„Ich werde mit dem Prinzen darüber sprechen“, meinte sie leise.
„Tu das nicht!“, warnte Jacob. „Es wird ohnehin nichts nützen.“
Doch das konnte Reeva nicht glauben. Der Prinz war ihr Freund: Er würde sie anhören.
***
Es verging eine ganze Woche, bis das Mädchen wieder ins Schloss gerufen wurde. Eine so lange Zeitspanne hatte bisher nie zwischen zwei Besuchen gelegen, und das machte Reeva nervös. Als sie jedoch in das Gemach des Prinzen kam, erkannte sie, dass ihre Sorge unbegründet gewesen war: Er sah so aufgekratzt und von glühender Begeisterung erfüllt aus wie beim letzten Mal.
„Es tut mir leid, dass ich dich so lange warten ließ“, entschuldigte er sich schwungvoll. „Doch ich kündigte ja bereits an, dass ich bei all den Verhandlungen anwesend sein muss. Es gibt vieles zu besprechen, und wie es aussieht, wird es noch bis zum Spätsommer dauern, bis alles bereit ist. Aber dann!“ Er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, und Reeva zuckte zusammen. Der Prinz schien es nicht zu bemerken.
„Meine erste Schlacht, meine erste Eroberung“, meinte er sinnend.
„Aber warum?“, fragte Reeva.
Der Prinz hob irritiert den Kopf. „Was willst du damit sagen?“
„Warum wünschst du dir das?“, wiederholte sie lauter. „Den Kampf und die Gefahr. Macht dich das glücklich?“
Zu ihrer Verblüffung brach der Prinz in Gelächter aus. „Ach, Reeva! Oft wirkst du so weise, und manchmal bist du wie ein kleines Kind. Bleibe du lieber bei deinen Füchsen und Vögelchen im Wald. – Es geht hier doch nicht um den Kampf selbst! Mein Vater wird das Reich vergrößern, über welches ich einmal herrschen werde; er wird für mich mehr Macht gewinnen, und ich werde ihm dabei helfen. Es geht nicht um die Gefahr, sondern einzig und allein um den Sieg.“
„Jacobs Mutter sagt, es gibt keinen vollkommenen Sieg“, wandte Reeva leise ein. „Bei jedem Krieg sterben Menschen: Väter, Ehemänner und Söhne.“
Sofort brach das Lachen des Prinzen ab. „Jacobs
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