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Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Titel: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kira Gembri
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nicht gut geht. – Reeva, möchtest du nicht zu mir nach Hause kommen? Du kannst bei uns wohnen.“
    Zuerst wusste Reeva nicht, was sie erwidern sollte. Sie dachte an die Kälte des Schlosses, die sich auch nicht von unzähligen Kaminen vertreiben ließ, und sie erinnerte sich an die junge Frau mit den Perlen im blonden Haar. Danach wanderten ihre Gedanken zu dem riesigen, protzigen Bett und zu all den Nächten, die sie schon daneben auf dem Steinboden verbracht hatte. Und sie entsann sich des kleinen Vogels, der nicht mehr wusste, was Freiheit war – oder es nie gewusst hatte.
    „Ja, das möchte ich gerne“, gab sie schließlich leise zu. „Doch ich glaube nicht, dass ich es darf.“
    „Seine Majestät muss es dir erlauben“, sagte der Stallbursche heftig, aber Reeva sah im Geiste ein Paar eisiger Augen aufblitzen … Jacob kannte den Prinzen bei weitem nicht so gut wie sie.
     
    ***
     
    Als der Prinz Reeva an diesem Abend zu sich rufen ließ, war sie längst bereit. Sie hatte ihr schönstes Kleid angelegt, was ohne Steingesichts Hilfe gar nicht so einfach gewesen war, und sich das Haar gebürstet, bis es in schimmernden dunklen Locken über ihre Schultern fiel. Nun rückte sie ein letztes Mal die Kette zurecht, deren Anhänger wie grünes Feuer auf ihrer hellen Haut leuchtete.
    Kaum war sie in das Gemach des Prinzen getreten, wusste sie, dass sie keinen guten Zeitpunkt für ihre Bitte gewählt hatte. Wieder einmal ging er mit gereizten Schritten auf und ab – doch nun war es zu spät, sie konnte nicht mehr zurück.
    Als der Prinz das Mädchen erblickte, gab er das Umherwandern auf und musterte es verblüfft. Seine Augen blieben an dem Smaragd hängen, ehe er fragte:
    „Was ist los? Weshalb bist du …“ Doch Reeva hob die Hand und er verstummte.
    „Schau her“, forderte sie; zu ihrer eigenen Überraschung klang ihre Stimme fest. „Wer bin ich?“
    „Eine schöne Hofdame“, antwortete der Prinz, ohne nachzudenken. Reeva nickte, ließ ihn jedoch nicht weitersprechen. Langsam setzte sie sich in Bewegung und ging einige Schritte auf ihn zu; und mit einem Mal veränderte sich das Bild. Ihre Schultern fielen nach vorne, das Kleid schlug Falten um ihren mageren Körper. Sie hielt den Blick nach unten gerichtet, während sie vorwärtshinkte und auf das ungleichmäßige Geräusch lauschte, das ihre Füße verursachten.
    Dann blieb sie stehen und sah dem Prinzen direkt in die Augen. „Und wer bin ich nun?“, fragte sie ruhig. Es kam keine Antwort, doch sie erwartete auch gar keine. „Ich weiß, was ich sein kann und was nicht“, fuhr sie nach einer kleinen Pause fort. „Ich kann eine Heilerin sein und auch deine Gesellschafterin – doch ich kann nie, niemals eine Hofdame sein. Sieh mich an: Ich bin keine Schlange. Ich kann nicht aus meiner Haut.“
    „Was möchtest du“, fragte der Prinz leise, den Blick auf seine Hände gerichtet.
    „Die Familie eines deiner Stallburschen hat mir angeboten, mich bei sich aufzunehmen. Ich habe eingewilligt.“
    „Und was brauchst du dann jetzt noch?“, wollte er wissen und hob endlich den Kopf.
    Reeva holte tief Luft. „Deine Erlaubnis.“
    „Meine Erlaubnis? Als was denn?“, brauste der Prinz nun auf. „Als dein Freund? Oder eher als dein Herr, als der zukünftige König?“
    „Das weißt du genau.“
    Einen Moment lang sah es so aus, als wollte der Junge widersprechen; als wollte er Befehle brüllen, einen Krug an der Wand zertrümmern oder etwas Ähnliches tun. Doch schließlich nickte er, obwohl Reeva genau sehen konnte, dass dazu große Überwindung notwendig war.
    „Du kannst gehen“, meinte er kaum hörbar und wandte sich ab.
     
    ***
     
    Reeva bereute ihre Entscheidung zu dem Umzug nie, obwohl sie ahnte, wie sehr sie den Prinzen damit verletzt hatte. Doch sie achtete darauf, dass die Besuche und die Gespräche mit ihm nicht darunter litten, dass sie nun ein Stück vom Schlosspark entfernt wohnte.
    Jacobs Zuhause war klein, und durch die Enge war alles nicht so einfach. Eines der fünf Kinder schrie fast immer, und anfangs geschah es auch manchmal, dass sich im Kessel zu wenig befand, als dass alle acht Personen davon satt geworden wären. Dem Mädchen wurde bewusst, wie wichtig Jacobs Verdienst als Stallbursche für die Familie war, denn nur mit ihrer Arbeit als Wäscherin hätte seine Mutter die Kinder niemals ernähren können. Als Reeva der Mangel an Nahrung auffiel, scheute sie sich nicht, dem Prinzen davon zu erzählen: So konnte sie

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