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Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Titel: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kira Gembri
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redest du da!“, fuhr er sie an und senkte sofort seine Stimme, als er ihr Zusammenzucken bemerkte. „Nein, Reeva – das einzige Ungeheuer ist der, der dir das angetan hat.“ Er wies auf die Schnitte um ihre Gelenke, auf ihre Schrammen und ihr Haar.
    „Weißt du, was mir einmal jemand gesagt hat?“, fragte Reeva vorsichtig und wischte sich über die Wangen. „Dass jede Gabe zu etwas Gutem, aber auch zu etwas Schlechtem gemacht werden könnte. Es käme nur darauf an, auf welche Art man sie nutzt.“
    „Wer hat das gesagt?“, wollte Jacob wissen. „Es muss eine sehr weise Person gewesen sein.“
    Reeva zögerte kurz. „Es war meine Großmutter“, antwortete sie dann leise. „Sie ist tot. Ich wünschte, sie wäre jetzt hier: Sie hätte mir bestimmt sagen können, was zu tun ist. Ich darf nicht zulassen, dass unzählige Menschen sterben, um eine Niederlage zu erkaufen, also muss ich den Krieg verhindern – aber ich weiß nicht, wie.“
    „Deine Großmutter kann dir nicht sagen, was du tun sollst“, meinte Jacob plötzlich, „aber ich kann es. Es gibt eine Möglichkeit, auch wenn sie sehr unwahrscheinlich ist; doch schließlich bleibt uns keine andere Wahl. Wir müssen ins Nachbarland reisen und den dort herrschenden König überzeugen, das Bündnis mit unserem Land zu lösen. Ohne seinen Verbündeten wird unser König es nicht wagen, diesen Krieg zu führen.“
    Reeva starrte ihn verblüfft an, ehe sie stirnrunzelnd erwiderte: „Vielleicht hast du Recht, aber ich werde es alleine versuchen.“
    Jacob lächelte, dann schüttelte er nachdrücklich den Kopf. „So einfach kannst du mich nicht nach Hause zurückschicken. Ich komme mit, denn vergiss nicht die Wichtigkeit unserer Aufgabe: Zu zweit ist es bestimmt einfacher als alleine.“
    „Aber denk an deine Mutter, an deine Familie!“
    „Eben daran habe ich gerade gedacht.“
     
    ***
     
    Als Reeva nach einem langen Schlaf wieder aus dem Wagen kletterte, saß Jacob gegen das Vorderrad gelehnt da und schnitzte Kerben in ein kleines Stück Holz. Er erblickte sie und stand sofort auf, um nach ihrem Arm zu greifen und sich noch einmal die Schnitte anzusehen.
    „Das muss verbunden werden“, murmelte er und grinste, als sie ihm ihre Hand entziehen wollte. „Halt still! Selbst du als Heilerin musst es zulassen können, wenn ein anderer dich verarztet.“
    „Du müsstest Ringelblume nehmen, oder vielleicht Kamille“, schlug Reeva eifrig vor, „aber beides wächst um diese Zeit noch nicht. Schade, dass ich mein Kräuterbündel nicht mehr habe.“
    Jacob lachte. „Du wirst staunen, wie gut die Wunden trotz meiner laienhaften Behandlung heilen werden. Und nun hör endlich auf zu zappeln!“
    Während er ihre Gelenke mit sauberen Stoffstreifen verband, schaute Reeva zu dem braunen Pferd hinüber, das friedlich neben dem Wagen graste. Die Sonne war bereits am Untergehen und es wurde langsam kühl – zu kalt, um unter freiem Himmel zu schlafen. Die Nacht verbrachten die beiden im Wagen, das beruhigende Malmen des Pferdes im Ohr.
    Schon am frühen Morgen brachen sie auf, und Jacob trieb den Braunen zur Eile an.
    „Je eher wir dieses Land verlassen, desto besser“, erklärte er, als Reeva neben ihn auf den Kutschbock kletterte. „Der König hat gewiss schon mehrere Männer ausgesandt, die nach dir suchen sollen.“
    Seine Worte ließen nun auch Reeva unruhig werden, und sie wünschte sich, sie würden noch etwas schneller vorankommen. Doch das Pferd hatte kurze Beine und war nicht das Allerjüngste – gemächlich rumpelte der Wagen über den Karrenweg, an dessen Seiten sich scheinbar bis zum Horizont Wiesen und Felder erstreckten.
    Es dauerte einige Tage, bis ihre Fahrt durch einen breiten Fluss unterbrochen wurde. Er durchschnitt die Landschaft wie ein blaues Band und strömte stetig dem Meer entgegen. Reeva und Jacob entdeckten ein kleines Boot, das am Ufer festgetäut war, und dicht am Fluss stand das Häuschen des Fährmannes.
    „Warte hier auf mich“, sagte Jacob, band das Pferd fest und ging auf die Hütte zu. „Ich werde mit dem Mann verhandeln, damit er uns über den Fluss bringt.“
    Reeva nickte, rutschte jedoch ebenfalls vom Kutschbock. Nach der langen Fahrt fühlten sich ihre Beine steif an, und sie begann am Ufer entlangzuwandern, um sich ein wenig Bewegung zu verschaffen. Etwas weiter flussabwärts standen mehrere Trauerweiden, die ihre Zweige in das dahineilende Wasser hängen ließen. Bis auf das Rauschen des Flusses war es sehr ruhig,

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