Das Mädchen aus Mantua
Dozent führte die Studenten durch die Pforte und sprach mit einem Gärtner, der die Gruppe auf das rondellförmig angelegte innere Gelände begleitete. Schattige Wege führten unter mächtigen Bäumen und zwischen blühenden Beeten hindurch. Es duftete nach Kräutern, Gras und Rosen.
Celestina war zum ersten Mal hier und hätte sich gern genauer umgesehen, doch zunächst galt es, die unliebsame Unterhaltung zu Ende zu bringen und Timoteo möglichst schonend beizubringen, dass er für Chiara nicht der Richtige war.
Sie bemühte sich sehr um einen zuvorkommenden Ton. »Nachdem eure Begegnung sich gestern so unerfreulich gestaltete, bist du nun hoffentlich eines Besseren belehrt.«
»Was willst du damit zum Ausdruck bringen?«
»Nun, damit meine ich, dass du nun sicher davon absiehst, weiterhin um sie zu werben.«
»Wer sagt das denn?«
»Glaubst du etwa, beim nächsten Mal wäre sie dir eher gewogen? Dann lass dir sagen, werter Freund, dass daraus ganz gewiss nichts wird. Sie wird nicht plötzlich in Liebe zu dir entbrennen. Und zwar aus einem einfachen Grund: Sie liebt einen anderen.«
Über sich selbst erschrocken, hielt Celestina die Luft an. Jetzt war es heraus! Und das auf eine Weise, die alles andere als schonend war!
»Hier haben wir eines der neueren Heilkräuterbeete. Am heutigen Tag erfreut es unser Auge, weil der größte Teil dieser Pflanzen in Blüte steht.« Zirelli blieb vor einem der in streng geometrischer Form angelegten Pflanzareale stehen und umfasste es mit einer ausholenden Bewegung. »Wir wollen unser Augenmerk an dieser Stelle auf Gewächse lenken, die unter besonderer Aufsicht des Gärtners stehen, weshalb dieser uns auch bei unserem Besuch begleitet. Wer von den Herren Scholaren weiß etwas über diese Pflanzen?«
»Das da sind Alraune«, sagte Baldo. »Manche benutzen sie zur Hexerei.« Er zeigte auf eine grünblättrige Ansammlung von stängellosen, fast verblühten Pflanzen mit gelblichen Beeren. Dabei warf er Celestina aus verengten Augen einen Blick zu, der Bände sprach. »Man sagt von der Alraune, dass sie unterm Galgen wächst, und sobald man sie aus der Erde gräbt, stößt die Wurzel schaurige Schreie aus.« Er grinste boshaft. »Ach ja, und sie ist natürlich giftig .«
»Ganz recht. Genau wie die anderen Pflanzen, die wir hier sehen. Weshalb uns auch der Gärtner begleitet, denn es muss sichergestellt werden, dass niemand sie versehentlich pflückt. Aber ihnen ist nicht nur gemeinsam, dass sie giftig sind. Sie eignen sich auch zur Heilung von Krankheiten.« Zirelli hob in seiner umständlichen Art an, die Namen der einzelnen Gewächse aufzuzählen und die Möglichkeiten ihrer Verwendung zu schildern. Celestina versuchte nach Kräften, sich seine Worte zu merken, doch in ihrer Verwirrung warf sie alles durcheinander. Sie spürte genau, wie Timoteos Blicke sich in ihren Rücken bohrten.
»Und so eignet sich der Gefleckte Schierling nicht nur, um mit seinem Saft einen Giftbecher zu füllen und sich wie einst Sokrates damit zu Tode zu bringen, sondern auch, um den Kranken Linderung zu verschaffen. Gesammelt im zweiten Jahr des Wuchses zur Zeit der Blüte, kann er in getrockneter Form Heiltränken beigemischt werden. Auf diese Weise wirkt das Mittel krampflösend und schmerzstillend. Frisch gepflückt verwendet, ist es allerdings hoch giftig, hier sind nur winzigste Mengen zulässig, schon der kleinste Teil zu viel kann das Leiden vermehren, statt es zu verringern.«
Baldo schob sich an ihre Seite. »Es gefällt mir, was Zirelli über den frisch gepflückten Schierling sagt«, flüsterte er ihr ins Ohr. Mit einer spielerischen Geste tat er so, als wolle er einen der langen Stängel mit den ausladenden weißlichen Blütendolden pflücken, worauf vom Gärtner ein warnender Ausruf kam. Baldo ließ die Hand sinken. »Übrigens, man muss die Alraune bei Dunkelheit ausgraben«, flüsterte er Celestina zu. »Auch für andere Dinge eignet sich die Nacht. Zum Beispiel dafür, unverschämten Knaben Benehmen beizubringen …«
Timoteo schubste ihn grob zur Seite. »Du versperrst mir die Sicht.«
Baldo wollte auf ihn losgehen, doch er hatte bereits die Aufmerksamkeit des Dozenten auf sich gezogen. Zirelli wies ihn mit einer strengen Bemerkung zurecht. Baldo hob nur ungerührt die Schultern und trat einige Schritte zurück.
Timoteo nahm unaufgefordert seinen Platz ein. »Wer ist es?«, fragte er flüsternd.
»Wer ist was?«
»Der Mann, den Chiara liebt. Wie ist sein
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