Das Mädchen aus Mantua
Name?«
»Keine Ahnung.«
»Hat sie dir gesagt, dass sie einen anderen liebt?«
»Nein«, versetzte Celestina gereizt. »Aber ich schließe es aus … ihrem ganzen Benehmen.«
»Dann reimst du dir vielleicht etwas zusammen, was in Wahrheit gar nicht existiert.«
»Du kannst sie ja selbst fragen.«
»Vielleicht tue ich es. Sobald ich das nächste Mal Gelegenheit dazu habe.«
Ihre Entrüstung kannte keine Grenzen. »Wenn du jetzt abermals von mir verlangst …«
Zirelli unterbrach sie. »Persönliche Unterhaltungen mögen auf dem Rückweg fortgesetzt werden!«
Sie schwieg, doch ihr innerer Aufruhr legte sich nicht, sodass sie für den Rest der Stunde den Ausführungen des Dozenten kaum zu folgen vermochte. Es war die Rede von unterschiedlichen und höchst giftigen, aber dennoch in der Heilkunde unverzichtbaren Pflanzen, doch anschließend wusste Celestina weder, wie die genannten Gewächse aussahen, noch, welche Wirkung ihnen im Einzelnen zuzuordnen war.
Sie war fast erleichtert, als die Lehrveranstaltung ihr Ende fand.
Der Rückweg zur Universität führte an der Basilika vorbei über die schnurgerade Via del Santo bis zur Via San Francesco, dort linkerhand vorbei am Grabmal des Antenor, des Stadtgründers von Padua, und dann das letzte Stück bis zum benachbarten Palazzo Bo.
Die ganze Zeit über ging Timoteo dicht hinter ihr, und sie fühlte sich wie eine Maus in der Falle. Dass sie dabei des Öfteren an Baldos Anspielung auf ebenjenes Tier denken musste, trug nicht zur Verbesserung ihrer Gemütslage bei.
Zwar sprach Timoteo den ganzen Weg über kein einziges Wort, doch Celestina beging nicht den Fehler zu glauben, er sei bereit, das Ganze zu vergessen. Als sie durch das Portal der Universität den großen Innenhof betraten, zeigte sich, dass sie zu Recht auf der Hut war.
»Was ein weiteres Treffen mit Chiara anbelangt …«
Sofort fiel sie ihm ins Wort. »Das kannst du vergessen.«
Er baute sich vor ihr auf. Sein Gesichtsausdruck war unergründlich. Seit sie ihn kannte, zeigte er diese hassenswerte Eigenschaft, seine Miene völlig beherrschen zu können, wenn er es darauf anlegte. Dessen ungeachtet empfand sie seine Haltung als einschüchternd, dafür reichte bereits aus, dass er sie um einen Kopf überragte. Es kostete sie enorme Mühe, nicht davonzulaufen. Tief durchatmend, rang sie um Beherrschung.
»Ich verstehe, dass dich jugendliche Triebe leiten«, setzte sie die im Flüsterton geführte Unterhaltung fort. »Das ist ganz normal in deinem Alter. Aber du musst begreifen, dass du diese Triebe nicht auf Chiara richten kannst. Sie kommt für dich nicht infrage. Du solltest folglich ruhig damit anfangen, dich mit anderen Mädchen zu treffen. Fast alle unverheirateten jungen Männer tun das. Frauen, die zu haben sind, gibt es genug! Du musst dich nur umschauen! Und bei deiner Auswahl ein wenig Vorsicht walten lassen. Keinesfalls solltest du Mädchen aus gutem Hause in Verruf bringen. Natürlich müssen es auch nicht unbedingt leichte Mädchen sein, es ist verständlich, wenn dich das abstößt, etwa, weil du Angst vor ansteckenden Krankheiten hast. Das heißt aber nicht, dass du die Flinte ins Korn werfen musst. Passenden Frauen begegnest du überall!« Sie dachte kurz über einen möglichst anschaulichen Vergleich nach. »Nimm zum Beispiel mich, eine Witwe aus Mantua. Niemand würde zur Rettung meiner Ehre ein Schwert zücken, wenn ich mich mit einem Mann verabrede.«
»Einverstanden«, sagte Timoteo unvermittelt.
Perplex blickte sie ihn an. »Was?«
»Ich nehme deinen Vorschlag an. Wir treffen uns zu einem Stelldichein.«
Sie lachte verunsichert. »Das war kein Vorschlag, sondern nur ein Beispiel!«
»Ein treffendes, wie ich finde. Da ich deine Ausführungen für plausibel halte, mir jedoch Zeit und Lust fehlen, nach vergleichbaren Kandidatinnen zu suchen, entscheide ich mich einfach für die erstbeste Gelegenheit, die sich mir bietet.«
»Ich bin keine Gelegenheit, die sich dir bietet«, protestierte Celestina, während sie sich unbehaglich nach allen Seiten umsah. Die anderen Studenten waren schon nach oben gegangen. »Wir kommen zu spät zur nächsten Vorlesung!«
»Dann war also alles, was du mir gerade erläutert hast, frei erfunden, nur damit ich von meinen Plänen ablasse?«
»Nein! Ich …« Sie suchte nach Worten. Dieser vermaledeite Kerl! Hilflos starrte sie ihn an, doch in seinem Gesicht war nicht das Geringste zu lesen. Nur das Wetterleuchten in seinem Blick verhieß nichts
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