Das Mädchen aus Mantua
natürlich ebenfalls für ihr Leben gern gestellt, doch die alte Familienfehde war nicht weniger wichtig. Folglich bemühte sie sich, nicht das Beet zu betrachten, und schon gar nicht die neue Mauer, die im hinteren Teil des Gartens entstanden war und die sie nun zum ersten Mal sah. Nach Celestinas Schätzung umgrenzte sie ein Geviert von etwa sechs mal sechs Schritten. In der Mauer gab es ein hölzernes Tor mit einem weithin sichtbaren Schloss.
»Alberto Caliaris Frau starb vor vielen Jahren«, sagte Lodovico.
»Ihr Tod hat aber die Feindschaft zwischen den Caliari und den Bertolucci begründet.«
»Wer hat dir davon erzählt?«
»Ich lebe seit bald drei Monaten in der Stadt, man kommt herum und hört dieses und jenes.«
»Unter anderem, dass ich die Frau von Alberto Caliari getötet habe, was?«
Sie nickte stumm.
Er betrachtete sie abwägend, als wolle er ergründen, wie viel sie bereits wusste oder von wem sie es erfahren hatte.
»Es bringt die Frau nicht ins Leben zurück, wenn nach so vielen Jahren noch über sie gesprochen wird. Alberto Caliari hat seine in Stein gemeißelte Ansicht von den damaligen Ereignissen, und auch die Rolle, die ich dabei spielte, ist für alle Zeiten festgelegt.«
Es entging Celestina nicht, dass er den Mord weder bestritt noch ihn einräumte. Trotzdem hatte sie den Eindruck, dass er mehr dazu sagen wollte, aber noch zögerte. Hätte er überhaupt nicht über das Thema reden wollen, wäre es ihm ein Leichtes gewesen, sie einfach mit der Begründung wegzuschicken, sie solle sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern.
»Ich glaube, er selbst hat sie erstochen«, erklärte Lodovico unvermittelt.
Entsetzt sah Celestina ihren Onkel an. »Ihr eigener Mann?«
Lodovico nickte. »Alberto war immer schon rasend eifersüchtig. Er konnte ja kaum ertragen, dass sie das Haus verließ, um Besorgungen zu machen. Sogar zur Beichte durfte sie nur in Begleitung einer Magd oder seiner Schwester gehen.« Er stockte, dann sagte er: »Es hieß, sie wollte ihn verlassen.«
»Wer sagte das?«
Er zuckte die Achseln, dann blickte er zur Eingangspforte der Außenmauer. Guido war von einem Ausritt zurückgekehrt. Das neue Reitpferd hatte er bereits in den Stall gebracht. Die Kosten für Futter und Pflege waren so hoch, dass Marta sich schon des Öfteren Vorwürfe von Immaculata hatte anhören müssen.
Guido focht das nicht an. Er war der Meinung, nur das zu besitzen, was einem jungen Edelmann zustand.
Ähnlich pompös herausgeputzt wie Baldo kam er durch das Tor stolziert. Der blasierte Ausdruck wich von seinem Gesicht, als er seinen Vater und seine Cousine zusammen bei den Beeten stehen sah. Er verlangsamte seine Schritte, anscheinend unschlüssig, ob er ein lästiges Gespräch über sich ergehen lassen oder lieber einfach so rasch wie möglich im Haus verschwinden sollte.
»Einen guten Tag euch beiden, Vater, Celestina.« Seine verdrossene Miene sprach Bände. Es kostete ihn Überwindung, ein Mindestmaß an Höflichkeit einzuhalten, doch er zwang sich dazu, wohl wegen des teuren Pferdes.
»Elender kleiner Opportunist«, murmelte Lodovico.
Entweder hatte Guido unglaublich scharfe Ohren, oder aber er konnte von den Lippen lesen. Sein Gesicht nahm einen verletzten und zugleich zornigen Ausdruck an. Ohne ein weiteres Wort wandte er sich ab und stürmte ins Haus.
Lodovico machte aus seiner eigenen Wut ebenfalls keinen Hehl. An seiner Schläfe schwoll eine Ader. »Warum hat Gott mich mit einem so vergnügungssüchtigen Sohn gestraft?«
»Er ist noch sehr jung.«
»Als Timoteo Caliari in seinem Alter war, zog er für die Republik zu Felde. Er war sogar noch um einiges jünger.«
»Du schätzt ihn, nicht wahr?« Celestina erinnerte sich an jenes eine Tischgespräch, bei dem er schon einmal die Tapferkeit Timoteos anerkennend hervorgehoben hatte.
»Er hat Mumm, und er kann denken. Während mein Herr Sohn sich zwar gern schlägt, aber leider keinen Funken Verstand aufweist. All sein Trachten richtet sich auf Spitzenkragen, edle Wämser und Rassepferde. Nie und nimmer würde er sich zum Waffendienst melden, er hat Angst um sein hübsches Gesicht.«
Hinter dieser verächtlichen Einschätzung musste mehr stecken als die bloße Enttäuschung über einen Sohn, der sich zu häufig dem Müßiggang hingab. Doch Celestina hatte keine Gelegenheit mehr, mit Lodovico darüber zu sprechen. Im ersten Stock ging ein Fenster auf, und Immaculata streckte ihren Kopf heraus.
»Da bist du ja! Deine Tante wartet
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