Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mädchen aus Mantua

Das Mädchen aus Mantua

Titel: Das Mädchen aus Mantua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
Vom Netzwerk:
Celestina zahlte mit dem Geld, das Großtante Immaculata ihr mitgegeben hatte. Der alte Drache verwaltete das Wirtschaftsgeld genauso drakonisch wie den gesamten Haushalt, doch für Marta war nichts zu teuer, erst recht nicht, wenn es um die Gesundheit ging.
    Auf dem Rückweg begegnete sie zu ihrem Schrecken dem Plagegeist Baldo. Rasch zog sie ihre Haube in die Stirn und senkte den Kopf. Glücklicherweise nahm er sie kaum wahr, als sie, das Gesicht halb abgewandt, an ihm vorbeieilte. Obwohl er seine Blicke schweifen ließ, um sicherzustellen, dass ein jeder, der des Weges kam, ihn auch bemerkte, hatte er keinen zweiten Blick für die in tristes Dunkelgrau gekleidete Frau mit der zu großen Haube, die von ihren Einkäufen zurückkam. Er war herausgeputzt wie ein spanischer Grande, jeder Zoll ein Edelmann, die Börse prall am Gürtel hängend und ein Schwert von angeberischer Länge daneben.
    Rasch bog sie um die nächste Ecke und atmete erleichtert auf, bevor ihr jedoch der Schreck erneut in die Glieder fuhr. Vor der offenen Ladentür einer Sattlerei stand Hieronimo Caliari, der sein Pferd beim Zügel hielt. Als er sie sah, trat ein Lächeln auf sein Gesicht.
    »Monna Ruzzini!« Winkend hob er die Hand, offensichtlich auf ein Gespräch erpicht, was ihr ein rasches Vorbeigehen unmöglich machte. Mit einem gezwungenen Lächeln blieb sie stehen und begrüßte ihn.
    »Seid Ihr wohlauf, Monna Ruzzini? Wie geht es der werten Schwester und dem jungen Herrn Bruder?«
    »Danke, es geht ihnen gut. Dem Rest der Familie ebenso.«
    »Das freut mich.«
    Das war natürlich gelogen; vermutlich hätte es ihm sehr gefallen, von Martas miserablem Gesundheitszustand und Chiaras unehelicher Schwangerschaft zu hören.
    Er deutete auf ihren Korb. »Ihr wart zu Einkäufen unterwegs?«
    Da dies offensichtlich war, beschränkte sie sich auf ein Nicken. Er wies auf einen silberbeschlagenen, mit aufwändiger Prägung verzierten Sattel, der im Ladeninneren auf einem Holzbock ruhte. »Ich liebäugle mit diesem guten Stück da. Immer, wenn ich hier vorbeikomme, bleibe ich stehen und betrachte ihn.«
    »Es ist wirklich ein besonders schöner Sattel«, sagte Celestina höflich. Verstohlen betrachtete sie ihn. Er sah Timoteo auf eine Weise ähnlich, dass es sie ein wenig verstörte. Er war ein paar Jahre älter und etwas untersetzter, und sein Gesichtsausdruck war deutlich strenger und grimmiger, aber nun, da er lächelte, hatte er so viel von seinem Bruder, dass sich Celestina ihres Unbehagens kaum erwehren konnte. Unwillkürlich dachte sie an ihr letztes zügelloses Beisammensein zwischen den Oleanderbüschen zurück; sie war noch zwei Tage später davon wund gewesen.
    »Es ist der Sattel, von dem ich schon seit Langem träume«, erzählte Hieronimo.
    »Warum kauft Ihr ihn Euch nicht?«
    Er lachte. »Ich habe einen brauchbaren Sattel, perfekt eingeritten und so bequem wie ein alter Sessel. Dieser da ist nur zum Anschauen. Manche Dinge im Leben sind nur schön, solange man sie sich wünscht. Besitzt man sie erst, findet man rasch heraus, dass sie bei Weitem nicht so perfekt sind, wie man es sich ausgemalt hat.«
    Das war eine höchst vernünftige Weltsicht, fand Celestina. »Ich wünschte mir einst einen Globus«, sagte sie impulsiv.
    »Einen Globus?« Er zog eine dichte schwarze Braue hoch. »Wie das?«
    »Es war ein besonderer Globus, er war groß und prächtig und mit farbigen Einlegearbeiten versehen, die Aufschriften so filigran und fein und die Umrisse so exakt dargestellt, dass man davor stehen bleiben musste, um zu staunen. Ich war zwölf und ging damals zu den Nonnen von San Lorenzo in Venedig, wo die Äbtissin eine Tagesschule für Mädchen eingerichtet hatte. Dabei kam ich immer am Laden eines Kartografen vorbei. Er führte Land- und Seekarten aus aller Welt, außerdem Globen in unterschiedlichen Größen. Unter anderem diesen einen, der mich so sehr faszinierte. Der Ladeninhaber lachte über mich, doch er ließ mich den Globus betrachten, so oft ich wollte. Ich durfte ihn drehen und mir aus der Nähe ansehen, und ich stellte mir dabei vor, an all die verwunschenen Orte zu reisen, die auf der uns abgewandten Seite der Erde liegen. Der Ladenbesitzer, der früher selbst als Landvermesser um die Welt gereist war, meinte, dort sei es, wenn man es erst mal kennt, auch nicht besser als zu Hause. Dann sah er mich an und sagte: ›Die Magie, mein Kind, liegt immer im Unbekannten.‹« Sie hielt inne; so viel hatte sie gar nicht erzählen wollen.

Weitere Kostenlose Bücher