Das Mädchen aus Mantua
Sohn kommt allmählich in die Jahre, und er ist immer noch unvermählt. Es ist höchste Zeit, dass er sich eine Frau sucht, die zu ihm passt. Soll er sein Leben lang unverheiratet bleiben, so wie ich? Nur, um deinen Ansprüchen an eine Familie zu genügen?« Brodatas Stimme klang schneidend, sie ließ sich von ihrem Bruder nichts gefallen.
Alberto schlug heftig mit der Faust auf die Lehne seines Rollstuhls, Timoteo erkannte das Geräusch, auch ohne hinzuschauen, denn sein Vater machte seinem Zorn oft genug auf diese Weise Luft. »Was will er mit einer Frau, die ihn dann nur unglücklich macht? Die ihm das Herz herausreißt, bis er sich fühlt wie elendes Gewürm unter dem Absatz eines Stiefels?«
»Vater, lass gut sein«, sagte Hieronimo besänftigend. »Ich sagte doch, dass es nur Kalkül war. Von daher kam es mir sogar äußerst gelegen, dass Tante Brodata die Witwe herbestellt hat.«
Timoteo beugte sich vor, um nichts zu verpassen. Er merkte, wie seine Kiefer mahlten. Mühsam unterdrückte er diesen Drang, damit ihn kein Zähneknirschen verriet.
»Was zum Teufel meinst du mit Kalkül ?«, wollte Alberto misstrauisch wissen.
»Sehr einfach. Ich mache ihr den Hof. Umwerbe sie nach allen Regeln der Kunst. Ganz offiziell. Ich werde bei Lodovico und Marta vorsprechen und darum ersuchen, zum sie freien zu dürfen. – Warte! Lass mich ausreden, Vater!«
Timoteo sah seinen Bruder förmlich vor sich, wie er beide Hände hob, um Alberto zu beruhigen, bevor dieser ein Wutgebrüll anstimmte.
»Ich werde mich mit ihr verloben«, fuhr Hieronimo eifrig fort. »Gradenigo wird jubeln. Die Fehde zwischen den Familien ist damit hinfällig, das Damoklesschwert der Verbannung wird nicht länger über uns schweben. Wir sind endlich sicher.« Er machte eine kunstvolle Pause, als wolle er die Bedeutung dessen unterstreichen, was als Nächstes kam. »Und dann werde ich Rache nehmen. Für die Schmach, die wir erdulden mussten. Für Mutter. Für dich, Vater. Für alles, worunter wir seit so vielen Jahren leiden.« Er räusperte sich, dann schloss er: »Ich werde sie kompromittieren. Sie benutzen und dann fallenlassen, weil sie meinen Ansprüchen nicht genügt.«
»Wen, die Witwe?«
»Sicher. Die Bertolucci werden zum Gespött der ganzen Stadt, wenn ich die Verlobung löse. Und sie werden überhaupt nichts dagegen machen können, weil meine Gründe über jeden Zweifel erhaben sein werden. Ihre Demütigung wird unsere Rache sein.«
Nach wie vor konnte Timoteo durch den schmalen Spalt der Tür nur Brodata sehen. Ihr war die Kinnlade herabgesunken, der Mund stand ihr vor Fassungslosigkeit offen.
Alberto atmete laut aus. »Das ist … Das ist genial. Mein Gott. Junge, was für ein ausgeklügelt perfider Plan!«
»Ich habe dir doch versprochen, dass wir es ihnen eines Tages heimzahlen.«
Alberto lachte. »Du könntest ihr ein Kind machen und sie dann sitzen lassen, dann wäre die Schande noch größer.«
»Darüber könnte man nachdenken«, stimmte Hieronimo zu.
»Welche Gründe willst du vorgeben, um die Verlobung später wieder zu lösen?«
»Da wüsste ich einige, aber das muss zunächst alles genau bedacht werden.«
»Auf den Ausgang dieses Unternehmens bin ich wirklich neugierig«, sagte Brodata mit kühler Herablassung. »Allerdings sollte manch einer sich vielleicht vorher überlegen, ob er nicht mehr abbeißt, als er schlucken kann.«
»Was willst du damit sagen?«, wollte Alberto argwöhnisch wissen. »Falls du in Erwägung ziehst, Hieronimo daran zu hindern …«
»Wer sagt denn so etwas?« Brodata lächelte freudlos. »Ich bin in dieser Familie nicht aller Narren Hüter.«
Timoteo wich hastig zurück, denn sie kam auf die angelehnte Tür zu. Mit raschen Sätzen floh er und war Augenblicke später bei der Haustür, doch sie sah ihn trotzdem.
»Timoteo!«, rief sie.
Aber er war schon draußen und dachte gar nicht daran, stehen zu bleiben. Mit einem Knall fiel die Tür hinter ihm ins Schloss.
Am selben Tag, früher Abend
Timoteo schuftete wie ein Berserker. Er schwang den Hammer so hart, dass die Erschütterung seinen Arm taub werden und das Schultergelenk schmerzen ließ. Schindel um Schindel nagelte er auf die Holzsparren des Dachs, als koste es sein Leben, bis zum Sonnenuntergang damit fertig zu werden. In der vergangenen Woche hatte Galeazzo ihm mehrmals geholfen, und zwei Mal war auch William hier gewesen, um Hand anzulegen, doch die meiste Zeit hatte Timoteo allein an der Hütte gearbeitet. Abgesehen
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