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Das Mädchen aus Mantua

Das Mädchen aus Mantua

Titel: Das Mädchen aus Mantua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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Herzschlag hatte sich beschleunigt. Sie legte den Kamm weg, ging zum Fenster, öffnete es und drückte die Läden ein Stück zurück. Ihre Ahnung hatte sie nicht getrogen: Unten, an der gegenüberliegenden Seite der Gasse, dort wo die Mauer nicht die Sicht versperrte, stand Timoteo und blickte zu ihr hoch, die Hand noch zum Wurf erhoben, als wolle er den nächsten Stein auf sie schleudern. Unwillkürlich zuckte sie zurück, doch dann sah sie, dass er nicht warf, sondern winkte. Mit ungeduldigem Handzeichen bedeutete er ihr, zu ihm herunterzukommen.
    »Wer ist es?« Obwohl sie durch den unbeweglichen Arm behindert war, mühte Arcangela sich aus dem Bett und kam neugierig näher. »Oh«, sagte sie, als sie Celestinas Gesicht sah. »Wohl nicht für mich, was?«
    »Was soll ich tun?«, flüsterte Celestina. »Ich mache doch dadurch alles noch viel schlimmer, oder nicht?« Doch die Frage war im Grunde müßig. Sie griff bereits nach ihrem Gewand.
    »Du wolltest ihn doch eigentlich nicht mehr treffen«, sagte Arcangela besorgt.
    »Ich weiß.« Celestina zog sich die Strümpfe über und schlüpfte in die Schuhe, besann sich dann und zog Letztere wieder aus. Sie machten zu viel Krach auf den Treppenstufen.
    Arcangela seufzte. »Ja, ja, die guten Vorsätze. Damit kenne ich mich aus. Pass um Himmels willen auf!«
    Celestina schlich bereits zur Tür, die Schuhe in der einen und das Nachtlicht in der anderen Hand.
    Im Treppenhaus lauschte sie nach allen Seiten, doch es blieb still. Kalter Herbstwind fuhr ihr ins Gesicht und unter die Röcke, als sie ins Freie trat. Sie ließ die Tür angelehnt, denn sie hatte keinesfalls die Absicht, sich mit ihm in die Büsche zu schlagen.
    Dann stand sie vor ihm und sah sein Gesicht, und alle Vernunft löste sich in einem ungeahnten Ansturm von Gefühlen auf. »Timoteo, was willst du denn?«, fragte sie atemlos, doch was sie wirklich meinte, war: Du hast mir gefehlt !
    Alles in ihr verlangte nach ihm, nach seiner Berührung und seiner Nähe. Danach, dass er sie endlich in seine Arme nahm. Doch er tat nichts dergleichen, und er sah auch nicht so aus, als wolle er es tun. Seine Miene war kalt.
    »Timoteo«, wiederholte sie unsicher. »Was …«
    Unerwartet heftig fasste er ihren Arm und zog sie um die nächste Ecke, hinter einen Mauervorsprung, wo niemand, der zufällig in einem der umliegenden Häuser wach wurde und aus dem Fenster blickte, sie beobachten konnte. Er drückte sie mit beiden Schultern gegen die Mauer, umfasste ihren Kopf und küsste sie hart, fast brutal.
    Als er endlich von ihr abließ, atmete er heftig und blickte ihr eindringlich ins Gesicht. Ihr mitgeführtes Nachtlicht hatte ein Loch in sein Wams gebrannt, doch das schien ihn nicht zu stören.
    »Bist du in ihn verliebt?«, fragte er.
    »In wen?«, fragte sie verblüfft zurück.
    »Hieronimo.«
    Und nun erkannte sie den Schmerz und die Wut in seinen Zügen, ebenso wie die vergebliche Anstrengung, sich nichts davon anmerken zu lassen.
    »Nein«, sagte sie einfach. »Ich bin in dich verliebt.«
    Erschrocken über ihre Worte, blickte sie zu ihm auf. Sie hatte das nicht sagen wollen. Sie hatte ja nicht einmal gewusst, dass sie so fühlte. Bis eben.
    »Das sollte ich noch einmal überdenken«, meinte sie, langsam. Sie schüttelte den Kopf. »Verflixt, das ist nicht gut. Das ist gar nicht gut.«
    Er warf den Kopf zurück und lachte leise und befreit auf, dann nahm er ihr die kleine Lampe aus der Hand und stellte sie zusammen mit der seinen auf dem Pflaster zu seinen Füßen ab. Das Licht warf von unten ein züngelndes Muster aus Helligkeit und Schatten auf sein Gesicht und zeichnete die Umrisse seiner Schultern nach. Abermals zog er sie an sich, fast so heftig wie vorhin, und genauso ungestüm kam sie ihm entgegen und ergab sich seiner Umarmung. Die Hitze seines Kusses und die überwältigende Stärke seines Körpers betäubten sie und rissen sie mit sich in eine andere Welt, aus der sie nie mehr zurückkehren wollte. Doch irgendwann ließ er von ihr ab, umfasste ihren Hinterkopf und barg ihr Gesicht an seiner Brust, auf diese zärtliche und zugleich besitzergreifende Weise, wie er sie schon häufiger gehalten hatte. Seufzend schmiegte sie sich in seine Wärme und hielt ihn mit beiden Armen umschlungen, während sie seinen Herzschlag an ihrer Wange spürte.
    »Was war da heute mit meinem Bruder?« Sein Kinn bewegte sich beim Sprechen auf ihrem Scheitel.
    »Ich weiß, wie es für dich ausgesehen haben muss«, sagte sie in die

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