Das Mädchen aus Mantua
natürlich von dem Tag, als der Kaminbauer gekommen war, um den Abzug zu mauern, und der Glaser, der das Fenster eingesetzt hatte.
Drinnen war noch alles kahl und leer, doch die Hütte hatte nicht nur ein ordentliches Fundament, sondern auch einen festen Boden aus Dielenbrettern, die auf Eichenbohlen genagelt waren. Die Wände waren ziemlich grob geraten, doch er hatte die übergroßen Fugen mit reichlich Zement aus gebranntem Kalk und Bruchstein ausgefüllt. Jedenfalls würde es nicht kalt hereinziehen, davon war er überzeugt. Hier drin würde sich, dank des Kamins, auch im Winter keiner so schnell den Hintern abfrieren.
Timoteo griff nach der nächsten Schindel. Er setzte den Nagel auf und holte mit dem Hammer aus, die Zähne fest zusammengebissen, und schlug drauflos. Trotzdem hörte er das Hufgetrappel. Der Hammer sank herab, und er drehte sich um, sein Gewicht vorsichtig auf der Dachkante verlagernd, damit er nicht abrutschte.
Im Licht der sinkenden Sonne sah er einen Reiter, der sich beim Näherkommen als sein Bruder entpuppte.
»Das Ding ist ja schon fertig!« Hieronimo zügelte sein Pferd und betrachtete ungläubig die Hütte, während er langsam um sie herumritt. »Ein Kamin? Und ein Fenster ? Hattest du nicht von einem Unterstand für die Feldarbeiter gesprochen?« Er schüttelte den Kopf. »Vater wird toben über so viel Unvernunft!«
»Dann geh doch zu ihm und erzähl ihm davon!« Erzürnt umklammerte Timoteo den Hammer. Es kostete ihn einige Anstrengung, ihn nicht von sich zu schleudern. Womöglich in die Richtung seines Bruders.
»Rede keinen Unsinn. Er muss es gar nicht erfahren.«
»Warum spionierst du mir dann hinterher?«
»Davon kann überhaupt keine Rede sein.« Hieronimo zögerte. »Tante Brodata meinte, dass du unser Gespräch mit angehört hast. Deshalb bin ich hier. Um ein paar Dinge richtigzustellen.« Er holte Luft. »Es war alles gelogen.«
»Was?« Entgeistert ließ Timoteo den Hammer sinken.
»Die Sache mit dem Kalkül – das habe ich nur vorgeschoben, um Vater nicht aufzubringen. Irgendwie muss ich es doch begründen!«
»Was begründen?«
»Dass ich um Celestina werben will. Für ihn muss es so aussehen, als täte ich es nur um unserer Rache willen. Er würde sonst verrückt werden vor Wut.«
Timoteo starrte seinen Bruder mit offenem Mund an. Er ahnte, wie begriffsstutzig er aussah, aber er konnte es nicht ändern. Er verstand überhaupt nichts mehr.
Hieronimo beeilte sich, es ihm zu erklären. »Ich will sie haben, Timoteo. Sie ist …« Er stockte, bevor er verlegen fortfuhr: »Sie hat mir auf den ersten Blick gefallen. Dergleichen habe ich noch nie erlebt, weißt du. Sicher, sie ist nicht besonders schön, eher klein und farblos, aber wenn man ein zweites Mal hinschaut … Plötzlich scheint sie zu leuchten. Alles an ihr. Ich bin von ihr bezaubert und will sie zur Frau haben.«
»Du willst …« Timoteos Stimme erstarb.
Hieronimo nickte. »Sie heiraten. Alles ganz ehrbar und ordentlich. Und ich werde bei ihr von Anfang an mit offenen Karten spielen. Ich werde ihr anvertrauen, dass ich Vater belogen habe, um sein Gemüt zu schonen. Dass es zweifellos für uns alle das Beste gewesen wäre, sie mir aus dem Kopf zu schlagen. Aber dass ich es nicht kann, weil ich noch nie so für eine Frau empfunden habe. Als hinge mein Leben davon ab, sie bei mir haben zu dürfen.«
Timoteo schluckte hart. Ein wildes Tier schien ihm die Eingeweide zu zerreißen und das Herz zu zerfetzen. Er konnte sich kaum erinnern, wann es ihm zuletzt derart schlimm ergangen war, er wusste nur noch, dass es im Zusammenhang mit Celestina gewesen war.
»Tante Brodata habe ich schon eingeweiht«, erklärte Hieronimo. »Merkwürdigerweise wusste sie es bereits, sie sagte, sie hätte mir die Lüge kaum länger abgenommen, als ich brauchte, um sie auszusprechen. Sie forderte mich auf, mit dir darüber zu reden. Damit hat sie wohl recht, denn von dir hängt es entscheidend ab, dass mir keine Steine in den Weg gelegt werden. Von denen es ohnehin schon genug gibt.«
Timoteo konnte ihn nur wie betäubt ansehen.
Hieronimo blickte ernst zu ihm hoch. »Ich weiß, dass du mit ihrem Bruder zusammen studierst, Brodata meinte, ihr wäret sogar gute Kameraden. Deshalb bin ich hergekommen, um dich über meine wahren Gründe zu unterrichten. Damit du Celestinas Bruder nichts Falsches über mich sagst. Wenn du ihm überhaupt etwas erzählst, dann bitte, dass ich es ehrlich meine.«
Timoteos Hand mit dem Hammer
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