Das Mädchen aus Mantua
sind doch ein und dieselbe Person!«
Er schüttelte den Kopf. »Wenn du er bist, spielst du eine Rolle.«
»Glaubst du das wirklich?«
»Ich weiß nicht, was ich glauben soll. Eben weil ich dich zu wenig kenne. Das will ich ändern.«
»Ach, Timoteo.« Sie seufzte. »Uns beiden ist doch ohnehin keine gemeinsame Zukunft beschieden. Ich werde voraussichtlich nicht mehr allzu lange in Padua bleiben. Das, was wir hatten, war geborgte Zeit.«
»Ich habe eine Hütte gebaut«, erklärte er unvermittelt.
»Eine Hütte?«, echote sie verdutzt.
Er nickte. »Auf einem unserer Höfe. Die Gebäude sind verfallen und teilweise abgebrannt, seit Jahren leben keine Pächter mehr dort. Kaum ein Mensch kommt je dahin. Dort können wir uns treffen.«
»Timoteo, ich halte das für keine gute …«
Er legte ihr die Hand auf den Mund. »Sag jetzt nichts. Hör mich zuerst an.«
Sie nickte, um ihm zu signalisieren, dass sie still bleiben würde. Vorläufig.
Er nahm die Hand weg, küsste flüchtig ihre Lippen und atmete dann tief durch. »Das ist meine Prämisse: Manche Dinge kann man nicht aufgeben, auch wenn sie verrückt und gefährlich und unvernünftig sind. Man tut sie trotzdem, weil man es unbedingt will. Weil man ein Ziel vor Augen hat. Ist das nicht genau die Prämisse, unter der du dein Studium begonnen hast?«
»Ja, aber …« Er legte ihr erneut die Hand auf den Mund. »Ich war noch nicht fertig.« Ein weiterer rascher Kuss, dann fuhr er fort: »Eine Prämisse, die für eine Sache akzeptabel ist, kann es auch für eine andere sein. Was für dein Studium gilt, kann auch für die Sache zwischen uns beiden gelten.«
Ihr lag ein Einwand auf den Lippen, doch er erstickte auch den mit einem Kuss. »Ich weiß, was du sagen willst: Dein Studium führt zu einem Ziel, die Sache mit mir dagegen nicht. Oder höchstens zu heimlichen Schäferstündchen in einer Hütte. Aber ich habe mir überlegt, dass wir beide …«
Sie fiel ihm ins Wort. »Nein, das wollte ich nicht sagen.«
»Nicht?« Er war überrascht und aus dem Konzept gebracht. »Was dann?«
»Dass ich im Augenblick eher keine Ziele vor Augen habe, weder für das eine noch für das andere, egal unter welcher Prämisse. Als ich eben von geborgter Zeit sprach, war das nicht nur eine Allegorie, sondern es entspricht der Wirklichkeit.« Sie seufzte, dann berichtete sie ihm von dem Brief ihrer Mutter. »Ich muss damit rechnen, dass sie über kurz oder lang hier auftaucht. Das kann nächste Woche sein oder in drei Monaten. Dergleichen weiß man bei ihr nie genau. In jedem Fall wird sie überraschend erscheinen, das ist ihre Art. Und natürlich wird sie in meinen und Arcangelas Gemächern untergebracht werden, wo sie jeden Handgriff, den ich tue, beobachten kann. Keinesfalls wird sie dulden, dass ich mich frühmorgens aus dem Haus schleiche, mit einem Korb, in dem sich Männerkleidung befindet, und erst am späten Nachmittag zurückkomme.« Celestina hob bedrückt die Schultern. »Die letzten Jahre konnte sie sich halbwegs erfolgreich einreden, dass ich das biedere Leben einer ehrenwerten Witwe führe. Arcangela und ich haben alles in unseren Kräften Stehende getan, um sie in diesem Glauben zu bestärken. Aber sobald Mutter in unsere Nähe kommt, wird sie sich mit der Wahrheit auseinandersetzen und rasch Lunte riechen. Wie auch immer, im selben Moment, in dem sie mich und Arcangela wieder unter ihre mütterlichen Fittiche nimmt, sind unsere Tage hier in Padua gezählt. Sie wird uns mit nach Venedig nehmen, was auch dem Wunsch ihres Gatten, Arcangelas Vater, entspricht. In Venedig wird sie versuchen, Arcangela und mich mit vielversprechenden Ehemännern zu verkuppeln oder uns wahlweise, einzeln oder zusammen, ins Kloster zu stecken. Das hat man uns schon mehrfach in Aussicht gestellt, und es war gewiss nicht nur so dahingesagt. Wir werden uns vielleicht dagegen wehren können, aber nur um den Preis, unter ihrer Fuchtel zu bleiben. Mein Leben wird in Kürze eine zweifellos unersprießliche Wendung nehmen.«
»Könnte sie sich noch anders besinnen?«
»Du meinst, indem sie beschließt, uns in Ruhe zu lassen und gar nicht zu kommen? Oder vielleicht erst nächstes Jahr?« Celestina schüttelte den Kopf. »Eine trügerische Hoffnung. Du kennst Mutter nicht. Sie braucht manchmal ziemlich lange, etwas in Angriff zu nehmen, doch wenn sie sich erst dazu entschlossen hat, gibt es kein Entrinnen mehr. Sie wird herkommen, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.«
»Heißt das,
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