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Das Mädchen aus Mantua

Das Mädchen aus Mantua

Titel: Das Mädchen aus Mantua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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Celestina war davon überzeugt, dass sie ihre Finger im Spiel hatte, doch Frater Silvano schien von ihrer Unschuld überzeugt zu sein.
    Er schien zu ahnen, was sie dachte. »Seid versichert, ich laufe nicht mit Scheuklappen umher. Für allzu gutgläubig dürft Ihr mich nicht halten! Nicht von ungefähr benutzte ich vorhin das Wörtchen bisher . Ich werde weiter meine Augen offen halten und alle Möglichkeiten in Betracht ziehen.«
    »Wartet«, sagte sie impulsiv, als er sich wieder zur Tür wandte. »Was ist aus der Frau geworden?«
    Er wusste sofort, wen sie meinte. »Die Wöchnerin? Sie lebt noch, aber sie ist weit davon entfernt zu gesunden. Wir haben sie immer noch in Pflege. Das Fieber kommt und geht, und zwischendurch redet sie wirr.« Er schüttelte den Kopf. »Wir tun unser Möglichstes, aber unsere Mühen zeigen keinen Erfolg.«
    »Weiß man inzwischen, woher das Fieber rührt?«
    »Vom Wochenbett her jedenfalls nicht, das ist die einzige Gewissheit, die wir haben.«
    »Hättet Ihr Klarheit über die Gründe des Fiebers, könntet Ihr der Frau sicher auch nicht helfen«, gab Celestina zu bedenken. »Das Wissen würde Euch in dem Fall wenig nützen.«
    Der Mönch zuckte die Achseln. »Das mag wohl zutreffen. Andererseits ist es von höchstem Interesse, die Gründe einer Krankheit zu erfahren, meint Ihr nicht auch? Es gehört zum Wesen dessen, was ein Arzt anstreben sollte. Herausfinden, warum der Kranke krank ist. Um daran die Heilungsmethoden auszurichten. Nur so kann die ärztliche Kunst sich rühmen, eine solche zu sein. Wüsste man mehr darüber, könnte man mehr tun.«
    Damit hatte er fraglos recht. Celestina hätte gern weiter mit ihm darüber gesprochen, doch ihr blieb nicht genug Zeit. Eine Frage aber wollte sie ihm unbedingt noch stellen, deshalb hielt sie ihn zurück, bevor er die Tür hinter sich zuziehen konnte. »Sagt mir, Frater, was ist eigentlich hier im Keller des Spitals?«
    Er wandte sich mit hochgezogenen Brauen zu ihr um. »Im Keller? Wie um alles in der Welt kommt Ihr jetzt darauf?«
    Sie schenkte ihm reinen Wein ein, denn sie sah keinen Anlass, die Herkunft ihres Wissens geheim zu halten. »In der Nacht, bevor meine Stiefschwester Arcangela aus dem Spital entlassen wurde, ging sie aus Neugier in den Keller. Dort stieg ihr ein übler Gestank in die Nase. Wie von Leichen.«
    Der Mönch verzog belustigt das Gesicht. »Tatsächlich? Sie hätte mich einfach danach fragen können, dann hätte sie hinterher sicherlich besser geschlafen. Wenn es dort nach Leichen roch, dann schlicht und ergreifend deshalb, weil dort Leichen sind . Im Keller ist unser Leichenraum. Irgendwo müssen wir die Toten ja aufbewahren, und zwar tunlichst dort, wo sie mit ihrem Gestank nicht den Kranken und den Pflegekräften die Luft verpesten. Die Totengräber können nicht immer sofort nach dem Exitus eines Patienten herkommen, da hätten sie viel zu tun. Oft kommen sie erst nach zwei oder drei Tagen; nicht jeder Leichnam wird für eine Trauermesse aufgebahrt, viele Angehörige verzichten auf die Zeremonie und lassen die Toten auf direktem Wege zum Friedhof und ins ausgeschaufelte Grab schaffen. So manche alte Großmutter fiel ihren Anverwandten schon zu Lebzeiten zur Last, sodass nach ihrem Ableben danach getrachtet wird, sie ohne großen Aufwand und möglichst billig unter die Erde zu bringen. Wo sie bis dahin bleibt, ist den Leuten egal.« Der Frater hob die Schultern. »Das ist in solchen Fällen dann eben oft der Leichenraum in unserem Keller.« Nachsichtig betrachtete er sie. »Lasst uns ein anderes Mal weiter darüber sprechen. Jetzt wird es höchste Zeit für Euch!« Er deutete auf das Pult. »Schreibt mir auf, was es Neues in der Anatomie gibt, wenn Ihr wiederkommt!« Mit diesen Worten ließ er sie allein, und Celestina zog sich rasch um. Wenig später machte sie sich als Marino da Rapallo auf den Weg zur Universität.
    In den Säulengängen und im Innenhof der Universität drängten sich die Studenten, unter ihnen etliche neu hinzugekommene, die während der Sommerferien Quartier in der Stadt bezogen hatten und nun, gruppenweise nach Nationalitäten zusammengeschart, umherblickten, manche von ihnen erwartungsvoll, andere eingeschüchtert.
    Zum Studium konnte man sich das ganze Jahr über einschreiben, aber die meisten Neulinge kamen nach den großen Ferien. Nicht wenige unter ihnen hatten sich herausgeputzt, als wollten sie zu einem Fest gehen. Hohe Spitzenkragen, steife Hüte, eng geschnürte Wämser und auf

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