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Das Mädchen aus Mantua

Das Mädchen aus Mantua

Titel: Das Mädchen aus Mantua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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Körper ausbreitete, wenn sie nur lange genug die Bürste bewegte.
    Unvergleichlich köstlich wurde es, sobald es jemand anderes tat. Infolge des gebrochenen Arms war sie in den vergangenen Wochen häufiger in den Genuss des Bürstens gekommen.
    Und nun, da Vitale diese Aufgabe übernommen hatte, war es erst recht erfüllend. Keiner verstand sich darauf mit solcher Feinfühligkeit wie er!
    »Ah«, seufzte sie. »Du machst das so gut!«
    »Findest du?« Er hauchte ihr einen Kuss auf den Nacken, und sie erschauderte.
    »Hör nicht auf«, bat sie.
    »Tue ich nicht.« Gehorsam bürstete er weiter.
    Sie seufzte abermals. »Es ist so schön mit dir. Ich würde am liebsten immer mit dir hierbleiben.«
    »Das wirst du«, erklärte er mit fester Stimme. »Wir werden vor den Altar treten, sobald das vermaledeite Trauerjahr vorbei ist.«
    Die schwache Regung, dagegen protestieren zu wollen, war verschwunden, bevor sie richtig aufkommen konnte. In jüngster Zeit war ihr die Kraft abhandengekommen, sich gegen seine Heiratspläne zu stemmen. Die Aussicht, bald mit ihrer Stiefmutter nach Venedig zurückkehren zu müssen, erfüllte sie mit Schrecken. Andererseits – Galeazzo würde ebenfalls in absehbarer Zeit nach Venedig ziehen, er musste nur noch die lästige Promotion hinter sich bringen. Ihren Vorschlag, vielleicht besser in eine andere große Stadt umzusiedeln, sollte sie ihm lieber wieder ausreden. Wenn er sich erst als Arzt in einem schmucken Haus am Canal Grande niedergelassen hatte, würde er eine Gattin brauchen. Und in nicht allzu ferner Zukunft konnte er mit dem Arbeiten aufhören, denn sein steinreicher Vater würde nicht ewig leben.
    Aber dann würde sie Vitale niemals wiedersehen! Tränen stiegen ihr in die Augen, und nur mit Mühe unterdrückte sie ein Schluchzen.
    »Hast du Kummer, mein Liebling?«
    Sie schüttelte schniefend den Kopf. »Nein, mich hat nur gerade die Rührung übermannt, weil du so gut zu mir bist.«
    Wieder küsste er ihren Nacken. »Ich muss es nur noch Mutter irgendwie beibringen. Dass sie hier mit uns lebt, wäre nicht die ideale Lösung, schließlich sind es nur zwei Räume. Sie wird sicher einsehen, dass es das Beste ist, wenn sie da bleibt, wo sie ist. Alte Bäume verpflanzt man nicht.«
    Arcangela war davon überzeugt, dass der herrschsüchtige alte Drache Zeter und Mordio schreien würde, wenn Vitale ihr mit so einem Ansinnen kam. Wäre es so einfach, wie er es sich einredete, hätte er schon längst mit seiner Mutter gesprochen. Dass er es nicht getan hatte, war nur der Beweis dafür, dass er Angst vor ihrer Reaktion hatte. Schließlich hatte er es auch nicht fertiggebracht, sich gegen die Ehefrau zu wehren, die seine Mutter ihm ausgesucht hatte. Nein, es würde sicher nichts daraus werden, dass er einfach ohne die Alte hierher umzog, um mit seiner neuen Liebe allein zu leben. Und ehe sie sich versah, würde sie mit einer Schreckschraube von Schwiegermutter unter einem Dach leben müssen. Dann lieber doch ein Haus am Canal Grande und einen Arzt, auch wenn sie dann regelmäßig darauf achten musste, dass er sich nicht mit Auswurf, Blut und Eiter befleckte.
    »Heute gab es wieder eine Leiche in der Anatomie«, sagte Vitale, passend zu ihren Gedanken.
    »Wirklich? Wieder ein Selbstmörder, der nicht von hier stammte?«
    »Ja, ganz recht. Diesmal war es sogar jemand, den du kanntest. Ein Wanderarzt namens Filiberto, er lag im Spital in dem Bett neben dir.«
    Sie drehte den Kopf, um Vitale anzusehen, wodurch sich die Bürste in ihrem Haar verfing. Es ziepte, und ungeduldig schob sie seine Hand weg. »Der arme Mensch!«, sagte sie entsetzt. »Was ist geschehen?«
    Er zuckte die Achseln. »Er verschwand über Nacht aus dem Spital, und am nächsten Tag wurde er außerhalb der Stadtmauern gefunden. An einem Baum hängend. Alles sah danach aus, als habe er sich selbst aufgeknüpft. Wir hatten keine Handhabe, ihn ordentlich zu bestatten, denn für auswärtige und ruchlose Selbstmörder ist die Anatomie gesetzlich vorgeschrieben.«
    »Er war nicht ruchlos«, widersprach Arcangela empört. »Sondern ein anständiger Bursche!«
    »Es fanden sich auf Anhieb mehrere seiner ehemaligen Patienten bereit, seine Ruchlosigkeit zu bezeugen.« Vitale räusperte sich. »Seine ärztliche Kunst bestand in mancherlei Hinsicht nur aus Taschenspielertricks.«
    »Und wenn schon«, sagte Arcangela ungeduldig. »Viele Leute wollen doch einfach nur betrogen werden! Wie konntest du zulassen, dass man ihn in Stücke

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