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Das Mädchen aus Mantua

Das Mädchen aus Mantua

Titel: Das Mädchen aus Mantua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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suche der Tote dort etwas, vielleicht die Erlösung von der Verdammnis, zu der ihn die Lebenden verurteilt hatten.
    »Wer fasst mit an?«, fragte Timoteo.
    »Ich halte die Lampe«, erklärte Galeazzo.
    Timoteo und William drehten den Toten auf die Seite, während Celestina näher trat und forschend den Leichnam betrachtete, vor allem den Hals- und Nackenbereich.
    Dass der Kehlkopf von dem Druck des Strangs nach innen gepresst worden war, hatte sie bereits im Teatro Anatomico gesehen, die Male, die der Strick in die Haut gegraben hatte, verliefen exakt in der Mitte des Halses, einmal rundherum. Daneben gab es eine weitere Einkerbung, etwas weiter oberhalb liegend, zum Nacken hin höher gezogen, dicht unter den Ohren vorbeilaufend und unterhalb der Wölbung des Hinterhaupts zusammentreffend.
    William zog einen Strick aus der Tasche seines Wamses. »Kann jemand einen Henkersknoten?«, wollte er wissen.
    Niemand beherrschte diese Kunst, also zuckte er die Achseln und schlang einen einfachen Knoten in den Strick, dann legte er ihn Galeazzo um den Hals.
    »Ich hänge dich jetzt auf«, erklärte er.
    »Tu dir keinen Zwang an. Wenn es mir unangenehm wird, kann ich dir ja in die Eier treten«, meinte Galeazzo zuvorkommend.
    Vorsichtig zog William den Strick in Galeazzos Nacken zusammen, wobei er das längere Ende des Seils hoch über den Kopf hielt, als hinge er an einem Ast. Er prüfte den Verlauf der Schlinge an Galeazzos Hals, dann untersuchte er nochmals die Male am Hals des Toten.
    »Hm«, meinte er. »So könnte es gewesen sein.«
    »Was könnte wie gewesen sein?«, fragte Timoteo.
    »Das Aufhängen. Die Spur passt dazu. Aber nur die eine.«
    »Für mich sieht es so aus, als wäre das Seil doppelt um den Hals geschlungen worden.« Timoteo fasste zusammen, was auch Celestina durch den Kopf gegangen war. »Vielleicht wollte er ganz sichergehen.«
    »Probieren wir es aus.« William schlang das Seil ein zweites Mal um Galeazzos Hals, knüpfte eine Schlinge und zog den Strick dann abermals mit ausgestrecktem Arm nach oben.
    »He, pass auf deine Eier auf«, beschwerte sich Galeazzo.
    William ließ sich nicht beirren. »Seht ihr? Die zweite Schlinge legt sich genau neben die erste. Derselbe Verlauf, schräg nach oben, dicht unter den Ohren.«
    »Die andere Kerbe verläuft aber nicht schräg nach oben, sondern gerade«, sagte Celestina; sie stellte damit nur fest, was sie alle sahen.
    »Vielleicht hat es beim ersten Versuch nicht geklappt«, sagte Timoteo. »Der Knoten ging möglicherweise auf, also hat er es noch einmal probiert.«
    William schüttelte den Kopf. Blitzschnell löste er das Seil, nur um es einen Augenblick später wieder um Galeazzos Hals zu werfen und es von hinten zuzuziehen.
    »He, nicht doch!«, ächzte Galeazzo. »Ich dachte, du seist mein Freund!«
    »Seht euch das Seil an«, sagte William. »Wie verläuft es jetzt?«
    Timoteo tat es. »Es verläuft gerade.« Er pfiff durch die Zähne. »Er wurde erdrosselt.«
    »Nicht nur das«, sagte Celestina. Sie beugte sich über den Leichnam und legte den Finger auf eine eiförmige, dunkel verfärbte Wölbung am Hinterkopf, die einen klaffenden Riss in der Haut umgab, in dem getrocknetes Blut klebte.
    »Was meinst du?«, wollte Galeazzo wissen.
    »Ich glaube, er wurde niedergeschlagen, und dann, als er wehrlos am Boden lag, hinterrücks stranguliert.«
    »Kann diese Beule nicht nach dem Tod entstanden sein?«, wollte Timoteo wissen.
    William schüttelte den Kopf. »Nein, Beulen und blutende Wunden kann man sich nur zu Lebzeiten zuziehen. Marino … ähm, Monna Ruzzini hat recht. Und zwar nicht nur wegen der Beule, sondern auch aus einem weiteren Grund.«
    »Bitte nenn mich doch Celestina«, bat sie ihn.
    Er nickte leicht verlegen. »Ich glaube, es geschah wie folgt: Der Mörder schlug den Wanderarzt von hinten nieder. Dieser fiel vornüber zu Boden. Der Mörder schlang ihm von hinten einen Strick um den Hals, knüpfte eine Schlinge und zog sie zu. Und gleichzeitig machte er es dem Opfer unmöglich, sich aufzurichten.« Er deutete auf den Rücken des Toten. »Schaut euch das an.«
    Sie taten es, während er mit der Lampe die Stelle beleuchtete, die er ihnen zeigen wollte.
    Dort, unterhalb der Schulterblätter des Leichnams, sahen sie, was er meinte, kaum von den umliegenden Leichenflecken zu unterscheiden und erst bei genauerem Hinsehen richtig einzuordnen.
    Es war ein Abdruck, rundlich geformt wie …
    »Ein Knie«, sagte Galeazzo. »Der Mörder hat sich auf seinen

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