Das Mädchen aus Mantua
viele auf einmal tragen können.
Sie folgte den beiden nach oben und sah, wie sie die Säcke in Lodovicos Arbeitsraum brachten. Dort nächtigte er auch, wie Celestina wusste, und das wohl auch schon seit geraumer Zeit. Er und Marta führten bereits seit Jahren kein richtiges Eheleben mehr.
Die Tür von Martas Schlafgemach stand offen, weil Großtante Immaculata dort Posten bezogen hatte und das Geschehen mit scharfem Blick überwachte.
»Lodovico? Hörst du mich?«, rief Marta von drinnen mit schwacher Stimme. »Was geht denn dort drüben vor?«
Die alte Frau wähnte sich unbeobachtet, denn in ihre Miene trat ein Ausdruck von so unverhülltem Hass, dass Celestina erschrak. Galt diese Abneigung ihrer Tante oder ihrem Onkel?
Die Frage blieb offen, denn die Alte verschwand wieder in Martas Kammer und schlug die Tür von innen zu.
Nachdenklich ging Celestina hinauf ins zweite Obergeschoss. Sie packte die Männerkleidung aus dem Korb in ihre Truhe und legte das Schloss vor. Den Schlüssel schob sie in ihren Strumpf, so hielt sie es immer in der letzten Zeit. Die Mägde hatten Anweisung, sich von ihren Sachen fernzuhalten, Celestina hatte ihnen erklärt, dass sie seit jeher Wert darauf lege, sich selbst um ihre Kleidung und übrige Habe zu kümmern, und wenn sie etwas zu waschen hätte, würde sie es ihnen persönlich übergeben. Ihre Mutter würde sich allerdings derlei Humbug nicht erzählen lassen, sondern gleich nach ihrem Eintreffen bei der erstbesten Gelegenheit sämtliche Kisten, Taschen und Truhen in diesem Zimmer durchwühlen, ob Celestina und Arcangela dabei zugegen wären oder nicht. Nur eine abgeschlossene Truhe war vor ihr sicher, und das auch nur so lange, bis ihre Mutter die Herausgabe des Schlüssels verlangte. Celestina hatte bereits vor dem Spiegel in mehreren Variationen die Behauptung einstudiert, dass sie ihn verloren habe und dass darin ohnehin nur abgeschabtes altes Zeug aufbewahrt werde.
Sie legte ihre Haube ab und wollte gerade ihr Haar öffnen, als es an der Tür klopfte. Es war Guido.
»Ich habe gesehen, dass du vorhin nach Hause gekommen bist«, sagte er. Sein gemäßigter Tonfall und sein aufgesetztes Lächeln ließen keinen Zweifel daran, dass er etwas von ihr wollte. Geld konnte es jedoch nicht sein, er hatte erst gestern von seiner Mutter welches bekommen. Es sei denn, er hätte es bereits wieder verspielt, was wiederum sehr wohl im Rahmen des Möglichen lag.
»Hör zu, ich kann nicht noch einmal bei deiner Mutter …«
»Es geht nicht um Geld«, fiel er ihr grob ins Wort. Er merkte, dass er sich im Ton vergriffen hatte und lächelte reumütig. Seine Wangen hatten sich rosa verfärbt, und mit den himmelblauen Augen und den hellblonden Locken sah er aus wie ein betretener kleiner Cherub, der ihr Mitgefühl verdiente.
»Wenn ich dir in sonstiger Weise behilflich sein kann – gern«, versicherte sie. Fragend blickte sie ihn an, als er hereinkam und sorgfältig die Tür hinter sich zuzog.
»Das muss nicht jeder hören«, meinte er verlegen. Er räusperte sich. »Ich möchte dich bitten, auf Chiara einzuwirken. Inzwischen steht ja wohl fest, dass Timoteo sie nicht heiraten will. Irgendwie muss er herausgefunden haben, dass sie ein Kind kriegt, und zwar nicht von ihm.«
»Sie hat es sich selbst zuzuschreiben, das jedenfalls sagt Onkel Gentile, und er muss es wissen, denn er hat das Gespräch belauscht.«
Guido nickte ungeduldig. »Ja, ja, es spielt keine Rolle. Jedenfalls steht fest, dass er sie nicht aus ihrer schändlichen Situation erlösen kann. Es bleibt somit im Grunde nur eine ehrenvolle Möglichkeit.«
»Dass sie Giovanni heiratet?«
Er wurde dunkelrot. »Sie heiratet ihn nicht. Er will sie überhaupt nicht. Sie hat sich etwas in den Kopf gesetzt, das völlig unmöglich ist.«
»Soweit ich es richtig verstanden habe, liebt sie ihn.«
Diese Bemerkung erzürnte ihn, er spannte sich an. »Das bildet sie sich nur ein. Und selbst wenn es so wäre – sie könnte genauso gut den Mond lieben, der würde sie auch nicht erhören. Geschweige denn ihre Liebe erwidern.«
»Du meinst, es beruht nicht auf Gegenseitigkeit?«
»Das sage ich doch, oder?« Gereizt blickte er sie an.
»Dann ist mir nicht ganz klar, welche Möglichkeit ihr sonst noch bleibt.« Argwöhnisch betrachtete sie ihn. »Dachtest du etwa, man solle etwas unternehmen, dass sie das Kind nicht bekommt?«
Er stutzte, dann schüttelte er den Kopf. »Vermutlich wäre das für alle das Beste, aber wie ich hörte,
Weitere Kostenlose Bücher