Das Mädchen aus Mantua
ihre Kammer zurück, um Haube und Umhang anzulegen, dann ging sie hinaus in den Garten.
Das Tor in der Mauer, die Lodovico im Garten hatte errichten lassen, war wie erwartet verschlossen, doch in dem kleinen Schuppen hinterm Haus fand Celestina, was sie suchte. Sie schleppte die Leiter zur Mauer, stellte sie an und kletterte hinauf. Allzu hoch war es nicht, ihre Kraxeleien am Rosenspalier waren weit gefährlicher gewesen, zumal diese in tiefster Nacht stattgefunden hatten.
Als mühsam stellte sich jedoch heraus, die Leiter hochzuziehen, denn irgendwie musste sie ja an der anderen Seite der Mauer hinab- und später wieder hinaufkommen. Zu ihrem Verdruss führte ihr Versuch nur dazu, dass die Leiter umkippte und sie selbst oben auf der Mauerkrone festsaß. Es wäre kein Problem, sich einfach vorsichtig wieder hinabzulassen, die Mauer war kaum höher als sechs Fuß. Doch ihrem Vorhaben, die Pflanzen zu untersuchen, käme sie damit nicht näher. Neugierig spähte sie nach unten in den umfriedeten Bereich, um wenigstens einmal von oben einen Blick auf Lodovicos besondere Kulturen zu erhaschen, doch zu ihrer Enttäuschung sah sie im spärlichen Licht des sinkenden Tages bis auf ein paar struppige Büsche nur abgeerntete Flächen. Mit peinlicher Verspätung erkannte sie, dass zu dieser Jahreszeit keine der herkömmlichen Giftpflanzen mehr wuchsen. Die Kletterpartie hätte sie sich also auch sparen können. Was immer Lodovico hier herangezogen hatte – es ruhte nun, vermutlich gut getrocknet und zerrieben, in passenden Säckchen an anderer Stelle.
Sie war im Begriff, sich wieder von der Mauer hinunterzuhangeln, als Lodovico sie von hinten ansprach.
»Was um Himmels willen tust du da?«
Vor lauter Schreck ließ sie die Mauerkrone los und plumpste wie ein Stein hinab. Sie landete schmerzhaft auf ihrem Allerwertesten. Hastig rappelte sie sich hoch und rieb sich die Kehrseite. Zum Glück war die Erde unter ihr vom Regen aufgeweicht, sonst hätte sie sich schlimmer wehtun können. Leider triefte nun auch ihr Rock von Schlamm.
Sie versuchte gar nicht erst, eine Ausrede zu erfinden. Welche denn auch?
»Ich wollte sehen, welche Pflanzen du hinter der Mauer ziehst«, gab sie zu.
Er musterte sie scharf. »Warum? Um sie auf ihren Giftgehalt zu prüfen?«
Sie zuckte unbehaglich die Achseln.
Spöttisch blickte er sie an. »Teure Nichte, sie sind sehr giftig, sonst hätte ich nicht die Mauer bauen lassen.«
»Das hatte ich schon vermutet. Allein, es ging mir um die Frage, ob etwas von diesen giftigen Pflanzen vielleicht in Tante Martas Heiltränken gelandet sein könnte.« Jetzt war es heraus!
Sein Gesicht wurde rot vor Zorn. »Du bildest dir ein, dass du anderer Menschen Geheimnisse kennst? Nun, lass dir sagen: Ich kenne deines ! Und wenn du es wagst …«
Die Stimme seines Bruders unterbrach ihn. »Findet hier ein Ausflug statt?« Gentile war ebenfalls in den Garten gekommen, neugierig betrachtete er die umgestürzte Leiter. »Habe ich aufregende Ereignisse verpasst?«
Celestina nutzte die Gelegenheit, hurtig das Feld zu räumen. »Ich muss nach Tante Marta sehen«, behauptete sie, bevor sie die Männer stehen ließ und zurück ins Haus eilte.
Später, am Abend desselben Tages
»Er war es«, sagte Celestina im Brustton der Überzeugung.
»Aber wie willst du es ihm nachweisen?«, fragte
Arcangela. Sie stand vor dem Spiegel und zelebrierte das unvermeidliche abendliche Haarebürsten. Inzwischen klappte es ganz gut mit links. Der rechte Arm war zwar ordentlich verheilt, aber wenn sie ihn anhob, tat es immer noch weh.
»Das kann ich nicht«, gab Celestina zu. »Noch nicht. Aber ich lasse nicht locker. Bis dahin hoffe ich, Marta hält sich an meine Bitte, nichts mehr zu essen und zu trinken, was andere ihr geben.«
Arcangela musterte sie im Spiegel. »Du hast also auch Großtante Immaculata als Mittäterin in Verdacht, oder?«
Celestina nickte. Sie saß im Bett, das Kräuterbuch auf den Knien. »Wenn ich nur ein paar Reste aus der Erde hätte graben können – vielleicht hätte mir das gereicht.«
»Wofür? Womit hättest du sie vergleichen wollen? Mit dem, was Tante Marta in die Schüssel spuckt?«
Celestina klappte resigniert das Buch zu. Ihre Stiefschwester hatte recht. Sie verstand zu wenig von Giftpflanzen, um einen Sachverhalt wie diesen eigenständig zu erforschen. Sofern das überhaupt möglich war.
»Wir sollten jetzt nicht mehr so viel Wind machen«, meinte Arcangela. »Für die kurze Zeit, die uns noch
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