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Das Mädchen aus Mantua

Das Mädchen aus Mantua

Titel: Das Mädchen aus Mantua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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wie bei Pater Domenico.
    Arcangela kniete sich neben zwei anderen beichtbereiten Frauen vor einen Seitenaltar und überbrückte die Wartezeit mit einigen Avemaria sowie mit Nachdenken. Mit dem Beten war sie rasch fertig, zumal sie später noch um der Buße willen einen halben Marienpsalter vor sich hatte. Das Nachdenken nahm deutlich mehr Zeit in Anspruch. Wie immer grübelte sie über ihre prekäre Situation. Gegen diese war das, was in Mantua geschehen war, noch harmlos. Ihr dortiger Liebhaber war zwar verheiratet, aber wenigstens war es nur ein einziger gewesen, und da er ehelich gebunden war, hatte sie ihn sowieso nicht für sich haben können. Und richtig geliebt hatte sie ihn auch nicht, es war eher ein verrücktes Abenteuer gewesen.
    Ganz anders jetzt. Wie schrecklich die Liebe sein konnte! Vor allem, wenn man sie zwischen zwei Männern aufteilen musste!
    Arcangela seufzte abgrundtief, den Kopf über ihre gefalteten Hände gesenkt.
    »Seid guten Mutes, Kind«, sagte die Frau neben ihr. »Gleich werden Euch Eure Sünden vergeben, dann lebt es sich leichter!«
    Wenn du wüsstest, dachte Arcangela.
    Sie stand auf und ging zu den Wandfresken. Sie hatte gehört, dass ein berühmter Künstler namens Giotto sie gemalt hatte, vor mehreren Hundert Jahren. Obwohl die Farben verblasst waren, konnte man die überragende künstlerische Qualität der Bilder gut erkennen, doch Teile der Darstellung verursachten Arcangela Unbehagen. Vor allem die Frauenfiguren, die Tugenden und Laster verkörperten und die unterhalb etlicher Szenen aus dem Leben Jesu an den Seitenwänden der Kapelle verewigt waren. Einer der Kirchendiener hatte ihr unlängst erklärt, was sie bedeuteten. Den sieben Tugenden standen sieben Laster gegenüber. Das Jüngste Gericht wartete auf sie, wobei die Tugenden zur Seite der Heiligen strebten und die Laster zu den Verdammten. Arcangela betrachtete die Allegorien der Laster und fand, dass eine davon starke Ähnlichkeit mit ihr selbst aufwies. Fast so, als hätte der Bursche, der sie damals an die Wand gemalt hatte, sie persönlich gekannt.
    Sie war erleichtert, als sie mit dem Beichten an der Reihe war.
    »Was glaubt Ihr, wann das Jüngste Gericht eintritt?«, fragte sie Pater Domenico, nachdem sie das Beichtzimmer betreten hatte. »Schon bald? Oder müssen wir zu Lebzeiten nicht mehr damit rechnen?«
    Pater Domenico, ein kahlköpfiger Greis hoch in den Siebzigern, entblößte freundlich ein paar vereinzelte Stummelzähne. Er hatte kein Wort verstanden. Mit gichtkrummer Hand deutete er auf das gepolsterte Bänkchen, auf dem die reuigen Sünder zum Beichten niederknieten.
    Seufzend kam Arcangela seiner unausgesprochenen Anweisung nach und faltete die Hände. »Vergebt mir, Vater, denn ich habe gesündigt …«
    Die Glocken läuteten zur Non, als sie wenig später zum Haus ihres Geliebten eilte. Das Gefühl, von allen Sünden befreit zu sein, hatte nicht lange vorgehalten, denn in Gedanken lag sie bereits in Vitales Armen. Es fiel ihr nicht weiter schwer, sich schon vorher in allen Einzelheiten auszumalen, wie es sein würde. Er war ein leidenschaftlicher, zuweilen etwas grober Liebhaber, und sie fieberte darauf, endlich wieder mit ihm zusammen zu sein.
    Das Haus lag hinter dicht wachsenden Büschen, ein lauschiges Versteck ein wenig abseits des Weges. Es war winzig, eher eine Hütte, mit morschen Schindeln gedeckt und widerspenstig knarrender Tür, doch ließ diese sich immerhin verriegeln, sodass sie bei ihren Zusammenkünften ungestört blieben. Vitale hatte es von seiner Großmutter geerbt, mitsamt ein paar Stücken alten, verstaubten Mobiliars, das ebenso brüchig war wie das Haus. Er selbst lebte nicht hier, sondern bei seiner Mutter in der Stadt, doch für ihre regelmäßigen Schäferstündchen war es geradezu ideal.
    Er erwartete sie bereits. Die Tür öffnete sich knirschend, als sie näher kam. Arcangela rannte die letzten Schritte, so sehr sehnte sie sich danach, bei ihm zu sein.
    »Endlich!«, brachte sie noch heraus, bevor er sie an sich riss und mit glühenden Küssen erstickte. Er packte sie, hob sie ein Stück an und schleppte sie, wie ein Barbar die geraubte Beute, ins Innere des Hauses. Dieses bestand nur aus einem einzigen Raum. Die Bettstelle an der Wand war immerhin mit frischer Wäsche ausgestattet, und auch die Matratze hatte Vitale erneuern lassen.
    Stöhnend sanken sie dort nieder, die Münder aufeinandergepresst. Mit fieberhaften Bewegungen rissen sie einander die Kleidung vom

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