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Das Mädchen aus Mantua

Das Mädchen aus Mantua

Titel: Das Mädchen aus Mantua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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richtigen Leute schmieren.«
    »Welche richtigen Leute?«
    Er zog ein Gesicht. »Es sind meist dieselben. Ärzte, Pfaffen. Und ein paar andere. Gegen die kann man nicht viel unternehmen.«
    »Weil diese paar anderen zufällig dieselben sind, die dich befördern sollen?«
    Er zuckte die Achseln. »Glaub mir, meiner Anschauung entspricht das nicht. Ich fühle mich ganz sicher nicht berufen, die angeblich ruchloseren Selbstmörder schlechter zu behandeln als die übrigen. Wem tut es weh, diese armen Teufel auf dem Friedhof beizusetzen und eine ordentliche Totenmesse zu feiern? Wem ist damit gedient, sie in ungeweihter Erde zu verscharren?«
    »Es ist wirklich ungerecht«, pflichtete Arcangela ihm bei. »Wie ein paar andere jener Gesetze, ohne die unsere Welt nicht ärmer wäre. Etwa die, mithilfe derer die hartherzigen Bastarde der Inquisition manche armen Frauen grundlos als Hexen abstempeln.«
    »Das ist hierzulande noch erträglich«, sagte Vitale. »Ich hörte, bei den Deutschen werden Frauen überall deswegen gefoltert und verbrannt. Mancherorts soll es bereits drastische Ausmaße angenommen haben.« Er dachte kurz nach. »Wie kommen wir jetzt auf Hexen?«
    »Du wolltest mir von den ungewöhnlichen Selbstmorden erzählen.«
    »Richtig. Ungewöhnlich an ihnen ist, dass niemand versucht hat, den Toten ein christliches Begräbnis zu verschaffen. Als sie gefunden wurden, stand rasch fest, dass sie durch eigene Hand gestorben waren. Weil niemand einen Beweis erbrachte, der diese Freveltat entschuldigt hätte, kam eine anständige Beisetzung in einem geweihten Grab nicht infrage.«
    »Vielleicht konnte sie zu ihren Lebzeiten niemand ausstehen, sodass alle dachten, es geschehe ihnen recht, wenn sie auf dem Schindanger außerhalb der Stadtmauern verscharrt werden.«
    Vitale schüttelte den Kopf. Da er so dicht bei ihr lag, kitzelten die Spitzen seiner Locken sie an der Brust, was ihr ein wohliges Erschaudern entlockte.
    »Sie hatten niemanden, weil sie fremd in der Stadt waren«, erläuterte er. »Sie befanden sich allesamt auf der Durchreise.«
    »Alle vier?«
    Vitale nickte abermals, doch diesmal erregte es Arcangela nicht. »Was waren das für Leute?«
    »Eine werdende ledige Mutter, die sich wohl wegen der Schande umbrachte. Zwei Händler. Und der vierte Selbstmörder war ein umherziehender Messerschleifer.«
    »Was hatten sie gemeinsam, außer, dass sie fremd in der Stadt waren und sich umgebracht haben?«
    Vitale betrachtete sie bewundernd. »Wie schnell du auf diese entscheidende Frage gekommen bist! Ich musste dafür einige Zeit länger überlegen!«
    »Ja, gelegentlich sagt man mir eine rasche Auffassungsgabe nach. Welche mir nach dem Urteil mancher allerdings nicht viel nützt, da es mir an Vernunft mangelt. Was also war die Gemeinsamkeit?«
    »Keiner von ihnen war venezianischer Staatsbürger. Die Frau kam, so hieß es, aus Rom, der eine Händler aus Neapel, der andere aus Rotterdam. Der Messerschleifer war Sizilianer. Und es gab noch eine weitere Gemeinsamkeit. Welche zugleich diejenige war, die mir zu denken gibt. Sie haben sich allesamt vergiftet. Das fand ich eigenartig. Nicht beim ersten Fall und auch nicht beim zweiten. Aber beim dritten wurde ich stutzig. Und beim vierten – der war vergangene Woche – schöpfte ich endgültig Verdacht, da wurde es mir der Gemeinsamkeiten zu viel.«
    »Du meinst, sie haben sich vielleicht gar nicht selbst umgebracht?«, fragte Arcangela mit stockendem Atem. »Sondern dass sie in Wahrheit ermordet und beraubt wurden?!«
    »Beraubt auf keinen Fall, ihre Habe war, soweit erkennbar, vollzählig vorhanden, und in ihren Börsen waren Münzen, wenngleich nicht viele. Es waren alles arme Schlucker, die kaum mehr besaßen, als sie am Leibe trugen. Nicht die passenden Opfer für einen Raubmörder.«
    »Aber warum sollte sich dann jemand die Mühe machen, sie zu ermorden?« Sie hielt inne. »Vielleicht ein Perverser, der allein um des Tötens willen tötet? Und sich dafür Fremde aussucht, weil niemand ihretwegen nachforscht?«
    »Diese Möglichkeit ist sehr naheliegend. Tatsächlich ist es für mich bisher die einzige logische Schlussfolgerung.«
    »Was hast du unternommen?«
    »Ich habe einen Bericht geschrieben und dem Rat vorgelegt, mit der Empfehlung, die Vorgänge zu untersuchen. Bislang warte ich noch auf Bescheid.«
    »Und auf den nächsten durchreisenden Toten«, orakelte Arcangela. Sie erschauderte wieder, doch diesmal vor Unbehagen. »Diese armen Menschen! In der

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