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Das Mädchen aus Mantua

Das Mädchen aus Mantua

Titel: Das Mädchen aus Mantua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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Fabrizio nickte dem Mönch zu. »Alsdann, lasst uns beginnen!«
    Vier Pfleger schickten sich an, den Patienten festzuhalten. Der kräftig gebaute Kranke stimmte auf der Stelle ein Geheul an, als seien sämtliche scharfen Gegenstände, die nebenan auf dem Tisch ausgebreitet waren, bereits in seinen Körper eingedrungen. Ungerührt packten die Männer fester zu und drückten den widerstrebenden Patienten auf das Lager nieder. Sie zerrten ihm die Beine an den Leib, bis er wie ein Frosch auf dem Rücken lag, mit weit gespreizten Schenkeln und bleich hervorquellendem Bauch. Seine Geschlechtsteile baumelten schrumplig herab, schutzlos den Blicken aller Umstehenden preisgegeben, einschließlich der behaarten, dunklen Öffnung des Anus.
    Celestina atmete tief durch. Sie knetete ihre Hände und trat an das Bett. Aller Augen waren auf sie gerichtet. Erwartungsvoll hatten sich die jungen Männer in einer Doppelreihe aufgebaut, um jeden Handgriff beobachten zu können. Timoteo überragte die meisten von ihnen, sein Blick war unverwandt auf sie gerichtet. In seinen Augen sah sie widerwillige Bewunderung, aber auch einen Anflug von Skepsis.
    Ihr Puls raste, und der Moment des Zweifels war so stark, dass sie um ein Haar ihr Vorhaben aufgegeben und hinausgerannt wäre.
    Sie streckte die Hand nach dem Messer aus – und zuckte zurück. Ein lang gezogener, spitzer Schrei übertönte das Gejammer des Blasensteinpatienten.
    »Er ist tot! Er ist tot!«
    Die schwangere Frau hatte den Schrei ausgestoßen. Sie hatte ihr Lager verlassen und beugte sich über das Bett des Jungen. »Das arme Kind ist tot! Es ist einfach so gestorben, und niemand war bei ihm!«
    Die Worte kamen undeutlich heraus, weil ihr Mund so zerschlagen war. Schluchzend presste sie den kleinen Körper an sich und wiegte ihn, als wolle sie das Kind trösten. Der Kopf des Knaben hing schlaff über ihrem Arm nach hinten. Die Augen standen offen, der Blick war im Tod gebrochen.
    Einige Besucher traten zögernd näher, doch die meisten Studenten blieben mit betretener Miene stehen, während Celestina an ihnen vorbei zum Bett des toten Knaben eilte. Sanft umfasste sie die Frau und zog sie von dem kleinen Ricardo weg. »Nicht. Ihr könnt nichts mehr für ihn tun. Legt Euch wieder hin.«
    Um ein Haar wäre sie ausgerutscht, und als sie zu Boden blickte, sah sie das Blut. Es kam von der Frau. Ihr Krankenhemd war in Höhe des Unterleibs rot durchtränkt.
    Gleich darauf schrie die Frau abermals auf, diesmal jedoch nicht vor Grauen, sondern vor Schmerz. Ihr Körper krümmte sich unter einer Wehe.
    Die meisten Kranken waren von dem Geschrei aufgewacht. Einige hatten sich aufgerichtet und sahen beklommen herüber; andere, die dazu genug Kraft aufbrachten, hatten ihr Bett verlassen und standen schwankend da, als müssten sie sich zwischen Gehen oder Bleiben entscheiden.
    Der Blasensteinpatient traf seine Wahl. Eilig schlang er sich ein Laken um den Leib und rannte zur Tür, als sei der Leibhaftige hinter ihm her. Gleich darauf war er verschwunden, und mit ihm sein Blasenstein sowie Celestinas Aussichten, mit der angekündigten Sectio lateralis zu glänzen.
    Die Frau stöhnte und keuchte, und Celestina konnte sie gerade noch festhalten, bevor sie zusammensackte.
    Eine neue Wehe baute sich auf, Celestina spürte es daran, wie der Leib der Frau sich unter ihren stützenden Händen zusammenzog. Die Frau schrie abermals auf. Mit Blut vermischtes Fruchtwasser lief ihr zwischen den Beinen hervor.
    Silvano war an Celestinas Seite getreten und half ihr, die Schwangere zurück auf ihr Lager zu betten.
    »Jemand soll die Hebamme holen«, sagte er zu der Nonne Deodata. »Und zwar schleunigst. Die Frau blutet stark.«
    Wie bei mir, dachte Celestina benommen. Sie wird das Kind verlieren. Und dabei vielleicht sterben.
    Eine neue Wehe kam, und fast meinte Celestina, selbst den Schmerz zu fühlen. Hilflos blickte sie auf die blutende, sich krümmende Frau.
    Ein Teil der Studenten hatte sich vor dem Bett versammelt, andere waren peinlich berührt am anderen Ende des Saals stehen geblieben. Zwei von denen, die vor dem Bett Aufstellung bezogen hatten, unterhielten sich ungeniert über den Zustand der Gebärenden.
    Celestina fuhr erzürnt zu ihnen herum. »Diese Frau bekommt ein Kind. Niemand hat sie gefragt, ob sie Zuschauer will.«
    »Patienten, die aus Gründen der Nächstenliebe aufgenommen wurden, unterstehen den Weisungen der Spitalsstiftung«, sagte der Professor. »Ihre Zustimmung zu Visiten,

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