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Das Mädchen aus Mantua

Das Mädchen aus Mantua

Titel: Das Mädchen aus Mantua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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gleichviel ob zu diagnostischen Zwecken oder zur Beobachtung, ist nicht vonnöten.«
    »Aber es ist nicht richtig«, entfuhr es Celestina.
    Frater Silvano stöhnte vernehmlich, und Celestina begriff, was sie mit ihrer unbedachten Bemerkung angerichtet hatte. All ihre Anstrengungen waren vergeblich gewesen. Das Versteckspiel, die Verkleidung, die gewagten nächtlichen Ausflüge, ja, überhaupt die Reise nach Padua – diese Mühen und Risiken hätte sie sich getrost schenken können. Sie hatte auf ganzer Linie versagt.
    Timoteo konnte es nicht fassen, wie ungezogen dieser Bengel sich aufführte. Wie ein schützendes Bollwerk hatte er sich vor dem Bett der schwangeren Frau aufgebaut und funkelte erbost in die Runde. Eine Locke hatte sich unter der unförmigen Kappe hervorgestohlen und baumelte ihm vor der Nase. Ärgerlich pustete Marino sie weg.
    Bei der Zurechtweisung durch Professor Fabrizio senkte der Junge allerdings verlegen den Kopf, anscheinend kannte er gewisse Grenzen.
    »Jetzt fliegt er raus, der dreiste Steinschneider«, flüsterte einer der Studenten hinter Timoteo. Sein Name war Baldo, ein eingebildeter, streitsüchtiger Lackaffe aus reichem Hause; Timoteo hatte den Kerl noch nie leiden können.
    Aus ihm unerklärlichen Gründen wollte Timoteo ihn wegen der dummen Bemerkung anfahren, doch ein weiterer Schrei der Gebärenden lenkte ihn ab.
    Zu seinem Erstaunen beugte Marino sich über die Kreißende und tastete ihren Leib ab, dann lüpfte er das Hemd der Frau und schaute ihr zwischen die Schenkel, wobei er sich jedoch so hinstellte, dass die Männer nichts von ihrem Körper sehen konnten.
    »Was habt Ihr vor, mein Junge?«, erkundigte sich der Professor mit gerunzelter Stirn. »Versteht Ihr Euch etwa auch auf die Arbeit einer Hebamme?«
    Schallendes Gelächter folgte auf die Frage, auch Timoteo konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
    Timoteo sah, wie Marino abermals errötete, doch der Junge antwortete sofort. »Ich war bei schwierigen Geburten zugegen, bei denen mein Schwager als Arzt zugezogen wurde. Bei dieser Frau hier scheint es sich um einen Fall zu handeln, wie ich ihn schon ähnlich gesehen habe.«
    Der Professor hob skeptisch die Brauen. »Und welcher wäre das?«
    »Es ist eine Steißlage.«
    »Wie kommt Ihr zu diesem Schluss?«
    »Der Kopf des Kindes ist am Rippenbogen zu tasten.«
    »Und worauf deutet Eurer Ansicht nach das Blut?«
    »Eine vorzeitige teilweise Ablösung des Mutterkuchens.«
    »Kein Vorfall von selbigem?«
    Marino schüttelte den Kopf. »Eine Plazenta praevia würde schlimmer bluten, denn die Austreibungsphase hat schon eingesetzt.«
    »Worauf beruht diese Diagnose?«
    »Es ist bereits ein Fuß vorgetreten.«
    »Donnerwetter«, murmelte Galeazzo neben Timoteo. »Klingt ungemein kompetent.«
    Auch Timoteo spürte widerwillige Bewunderung. Marino sprach von Dingen, die er selbst noch kaum je gehört, geschweige denn richtig verstanden hatte. Und nicht nur das – der Junge schien sich damit auszukennen. Möglicherweise hatte der Mönch ihn doch zu Recht der angekündigten Blasensteinoperation für fähig gehalten.
    Eine weitere Wehe versetzte die Zuschauer in Unruhe. Die Frau fing an zu pressen. Ihr Stöhnen erfüllte den ganzen Saal. Die übrigen Patienten starrten allesamt herüber, ihre Beklommenheit war fast mit Händen zu greifen. Die Stimmung unter den Studenten war nicht besser. Manche versuchten, ihre Verlegenheit durch gemurmelte Witzchen zu überspielen, andere räusperten sich nervös oder blickten betont gleichmütig zu Boden.
    Gleich darauf traf die Hebamme ein, eine Frau mittleren Alters. Das graue Haar hatte sie unter einer sauberen Haube verstaut, und auch die Schürze war frisch gewaschen. Sie verneigte sich ehrerbietig vor dem Professor und dem Mönch, bevor sie eilig die Schwangere untersuchte.
    Die vielen Beobachter schienen ihr unangenehm zu sein, doch sie gab sich Mühe, umsichtig und rasch alles Nötige zu veranlassen. Mit leiser Stimme befahl sie der Gebärenden, sich auf dem von den Nonnen eilig herbeigeschafften Gebärstuhl niederzulassen, und wie selbstverständlich legte Marino Hand an, um sie dabei zu unterstützen. Die Hebamme wirkte befremdet, erhob aber keine Einwände. Als die nächste Wehe kam, befahl sie der Kreißenden, ordentlich zu pressen, doch wenig später schüttelte sie den Kopf. »Das wird so nichts.«
    »Ist es das erste Kind der Frau?«, erkundigte sich der Professor.
    »Nein, sie hatte schon mindestens eins«, sagte die Hebamme.

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