Das Mädchen aus Mantua
mich gern mit medizinischen Belangen befasse und kranken Menschen helfe. Die Zeit verfliegt dabei im Nu.« Bemüht gelassen fügte sie hinzu: »Du hast doch nicht etwa vor, Mutter völlig grundlos zu beunruhigen?«
Marta runzelte die Stirn. »Nun, eigentlich wollte ich ihr schreiben. Aber wenn ich wüsste, dass du deine Kräfte wirklich nicht über Gebühr anderweitig beanspruchst …«
Celestina verstand den Wink sofort. »Selbstverständlich ist deine Gesundheit mir wesentlich wichtiger als jene der Patienten im Spital«, behauptete sie im Brustton der Überzeugung.
»Momentan tut mir der Rücken sehr weh«, erklärte Tante Marta mit schmerzvollem Timbre in der Stimme.
»Den wehen Rücken hatten wir schon länger nicht mehr«, warf Großtante Immaculata sardonisch ein. Mit klauenartig gebogenem Zeigefinger deutete sie auf Martas gut gefüllten Teller. »Dafür ist der Magen wieder in Ordnung.«
Daran konnte kein Zweifel bestehen. Marta hatte sich bereits die zweite Portion Schweinebraten einverleibt und würde sicher auch eine dritte nicht verschmähen.
Celestina hingegen, die sich noch in allen Einzelheiten an die morgendliche Sektion erinnerte, stocherte nur in ihrem Essen herum. »Ich könnte dir Schröpfgefäße aufsetzen. Die wirken gut gegen Verspannungen im Rücken.«
»Ich glaube, sie will lieber kräftig eingerieben werden«, meinte Immaculata. »Mit Veilchenöl. Das gefällt ihr besser als die Schröpfkur.«
»Vielleicht versuchen wir einfach beides«, schlug Marta vor. »Doppelt geheilt, schneller gesund.«
Guido ließ den Löffel in seinen Teller fallen. Chiara, die neben ihm saß, zuckte von dem lauten Klirren zusammen.
Erbost blickte Guido in die Runde. »Gibt es eigentlich bei uns kein anderes Tischthema mehr als immer nur Mutters Wehwehchen?«
Marta sah ihren Sohn betroffen an. »Wie kannst du meinen Zustand so herunterspielen?« Ihre Unterlippe zitterte. »Siehst du denn nicht, wie sehr ich unter meinen Krankheiten leide? Wie furchtbar schlecht es mir geht? Dass ich vielleicht nur noch kurze Zeit zu leben habe?«
»Guido, das ist wirklich sehr ungehörig von dir«, stimmte Lodovico zu. »Deine Mutter ist von höchst labiler Gesundheit!«
»Dann koch ihr doch noch mehr von deinem Kräutergesöff«, entfuhr es Guido. Grob schob er den Stuhl zurück und sprang auf. Ohne ein weiteres Wort stürzte er aus dem Zimmer.
»Ihr dürft ihm nicht böse sein«, sagte Chiara mit niedergeschlagenen Augen. »Er hatte heute wieder eine sehr unerfreuliche Begegnung mit einem Caliari.«
»Wirklich?«, fragte Gentile stirnrunzelnd. »Wer war es denn diesmal?«
»Timoteo«, sagte Celestina.
Überrascht wandte sich Gentile ihr zu. »Woher weißt du das?«
»Ich war auf dem Heimweg vom Spital und kam dazu, als sie einander über den Weg liefen.«
»Wohl gerade noch rechtzeitig«, kommentierte Arcangela trocken.
Celestina hob die Schultern. »Es sah tatsächlich nach Streit aus. Wobei das Kräfteverhältnis in meinen Augen unausgewogen war. Guido hatte zwei Freunde bei sich. Der junge Caliari dagegen war allein.«
»Du hättest dich nicht einmischen dürfen!«, rief Marta anklagend. Hektische rote Flecken zeigten sich auf ihren Wangen, sie sah mehr denn je wie ein Schwein aus – ein sehr aufgebrachtes diesmal. »Jeder Streit bringt die Caliari der Verbannung näher! Hättest du Guido nur machen lassen, hätte man sie vielleicht schon aus der Stadt getrieben! Gradenigo ist kein Mann der leeren Worte! Er hätte sie uns vom Hals geschafft! Wir könnten sie jetzt schon ein für alle Mal los sein!«
»Möglicherweise hätte Guido das teuer bezahlt«, warf Gentile mit mildem Amüsement ein. »Der junge Caliari ist ein schneidiger Zweikämpfer.«
»Aber Guido und seine Freunde waren in der Überzahl!«, hob Marta hervor.
»Sie hätten auch zu dritt gegen ihn den Kürzeren gezogen«, erklärte Lodovico entschieden. »Timoteo Caliari ist ein richtiger Mann. Was man von Guido leider nicht behaupten kann.«
Marta blieb der Mund offen stehen. »Wie kannst du das sagen? Von deinem eigenen Sohn!« Im nächsten Moment brach sie in Tränen aus. Sie presste sich ihr Mundtuch vors Gesicht und wiegte sich laut heulend vor und zurück. Chiara stand mit einer gemurmelten Entschuldigung auf und verließ den Raum. Gentile beobachtete seine Schwägerin mit beiläufiger Neugier, fast so, als wolle er mit sich selbst wetten, wie lange sie es wohl schaffte, diese durchdringenden Klagelaute auszustoßen.
Celestina und
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