Das Mädchen aus Mantua
besserwisserischer Überheblichkeit zu. Sie verdarb sich alle Chancen, ihn gnädig zu stimmen. Wenn sie nicht aufpasste, würde sie seinen Ärger erst richtig entfachen, und dann würde ihn nichts mehr daran hindern, sie auffliegen zu lassen.
Tränen mussten her! Celestina schloss die Augen und suchte nach deprimierenden Gedanken, die sie traurig stimmten. Wie immer waren die schlimmen Erinnerungen nicht weit. Jacopos Tod, ihre Fehlgeburt … Als sie die Augen wieder öffnete, schwammen sie in Tränen.
»Tut mir leid, dass ich so garstig daherrede, aber das kommt daher, dass ich solche Angst habe!« Mit versagender Stimme setzte sie noch eins drauf. »Bitte verrate mich nicht!«
Sein Gesichtsausdruck veränderte sich, wie jeder Mann wurde er beim Anblick weiblicher Tränen schwach. »Ich sagte nicht, dass ich dich verraten will. Ich möchte nur …« Er stockte, weil ihm offenbar selbst nicht klar war, was er eigentlich wollte.
»Wenn ich dir einen Gefallen tun kann, bin ich gern dazu bereit«, sagte sie eifrig. Mit dem Handrücken wischte sie sich die Tränen ab, aber erst, nachdem sie sich ein kleinmädchenhaftes Schniefen entrungen hatte. »Was immer in meiner Macht liegt, werde ich für dich tun!«
»Gut«, sagte er. In seinem Gesicht arbeitete es, er schien heftig nachzudenken. »Ich will Chiara treffen«, platzte er heraus.
Die Kinnlade sank ihr herab. »Du willst was ?«
»Du hast mich genau verstanden. Ich will in Ruhe mit ihr reden, mehr nicht. Das solltest du hinkriegen, denn sie ist deine Cousine, und ihr lebt im selben Haus.«
»Was ist, wenn sie dich nicht sehen will?«
»Das ist dein Problem. Es wäre aber besser für dich, wenn du es schaffst, sie zu überzeugen.«
Empört wollte sie einwenden, dass dies nichts anderes sei als gemeine Erpressung, doch als sie die steile Unmutsfalte über seiner Nasenwurzel sah, hielt sie sich zurück. Es schien ihr dringend angeraten, ihn nicht weiter zu reizen.
»Selbstverständlich«, sagte sie verbindlich. »Ich werde mein Bestes tun, ein vertrauliches Gespräch zu ermöglichen. Zeit und Ort eures Stelldicheins teile ich dir mit, sobald es sich ergibt.«
Er nickte knapp. Dann wandte er sich ab und ließ sie einfach stehen.
Mit dem Rücken an der Wand wartete sie, bis ihre Knie aufgehört hatten zu zittern. Es dauerte eine halbe Ewigkeit.
»Was ist los?«, wollte Galeazzo wissen, als Timoteo sich zu ihm und William gesellte. »Du schnaufst wie ein durch gegangenes Pferd. Oder wie jemand, der sich gerade gerauft hat.«
Tief durchatmend zerrte Timoteo an seinem Kragen und zwang sich zu einem undurchdringlichen Gesichtsausdruck, etwas, das er normalerweise gut beherrschte, aber in diesem Fall ahnte er, dass er damit wenig erfolgreich war.
»Es ist nichts«, behauptete er wütend.
»Ah, du hast es rausgefunden«, sagte Galeazzo. Er wandte sich an William und hielt die Hand auf. »Mein Gewinn, bitte.«
William schnitt eine Grimasse, griff in seinen Beutel und zählte Galeazzo ein paar Münzen in die offene Hand.
»Was soll das?«, fragte Timoteo.
»Wir haben gewettet«, erklärte Galeazzo vergnügt. »William meinte, du würdest mindestens noch eine Woche benötigen, um es zu bemerken, doch ich setzte darauf, dass es dir spätestens heute auffällt.«
»Seit wann wisst ihr es schon?«, wollte Timoteo zähneknirschend wissen.
Galeazzo lachte. »Seit dem Augenblick, als wir das angebliche Bürschchen zum ersten Mal sahen.«
»Du triffst dich mit ihrer Stiefschwester. Sie hat es dir verraten!«
Galeazzo schüttelte den Kopf. »Mitnichten, mein Freund. Arcangela ist ungeheuer diskret. Sie kann Geheimnisse hüten wie keine andere. Folglich rede ich auch nicht darüber, wenn ich sie sehe. Oder, falls doch, nur über Marino als ihren Bruder.«
Timoteo bedachte William mit misstrauischen Blicken. »Hast du es selbst bemerkt, oder hat Galeazzo es dir gesagt?«
»Ähm, ich sah es selbst.« Es schien William peinlich zu sein, das einzuräumen, denn nun war nicht mehr zu leugnen, dass unter den drei Freunden Timoteo der Einzige war, der sich hatte täuschen lassen. Tröstend setzte der Engländer hinzu: »Das kommt daher, dass ich ein besonders gutes Ohr für Stimmen habe.«
»Und ich habe ein besonders gutes Auge für Frauen«, warf Galeazzo hilfreich ein.
Daraus durfte Timoteo wohl den Schluss ziehen, dass er weder über das eine noch das andere verfügte. Zornig trat er gegen eine Säule. Und verfluchte sich sofort, weil er wieder das falsche Bein
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