Das Mädchen-Buch
machen, wenn es um das sportliche Ansehen von Jungen und Mädchen geht. Selbst wenn sie Mädchen | 109 | als gut im Fußball erkennen, ist es noch ein großer Schritt, sie auch so zu nehmen und beispielsweise auszuwählen, wenn sie Mannschaften bilden.
»Die Mädchen haben es schon schwerer, in eine Fußballmannschaft zu kommen, weil die Jungs denken: ›Mädchen können noch gar nichts‹, obwohl z. B. Nina und Rosa schon gut Fußball spielen können.«
LEON, 8 JAHRE
In der Sportpädagogik werden die körperlichen Unterschiede von Mädchen und Jungen berücksichtigt. Mädchen müssen nicht so schnell laufen, nicht so weit springen, nicht so weit werfen, um eine Urkunde bei den Bundesjugendspielen oder eine gute Note zu bekommen. Andererseits dürfen Jungen auch mehr toben – bei Mädchen wird das nicht gerade gefördert:
»Bei Jungen hat man mehr Verständnis, wenn sie sich bewegen wollen. Sie dürfen raufen. Wenn Mädchen anfangen zu raufen, dann sagt man: ›Moment mal, das ist doch nichts für Mädchen.‹«
URSULA EGGERT, ERZIEHERIN
***
»Mit Mädchen kannst du in den Märchenwald gehen, Jungs, wenn da nicht zwischendurch ein Klettergerüst ist oder ein Bolzplatz, dann langweilt die das.« | 110 |
SABINE H., GRUNDSCHULLEHRERIN
Aber, was ist mit Fußball? Bezeichnenderweise heißt es »Frauenfußball« – in Abgrenzung zu Fußball, den die Männer spielen. Es war ein Fest, die Frauenfußball-WM in Deutschland – auch wenn es nicht zu einem Spitzenplatz für die deutschen Fußballerinnen gereicht hat. Mädchen waren stolz und verabredeten sich zum Public Viewing. Ein echter Leuchtstreif am Fußballhimmel, trotz abwertender Kommentare, auch in den Medien: »Ist Fußball wirklich eine Frauensportart? Darüber kann man diskutieren, ich bin ein toleranter Mensch. Bitte, wenns ihnen Spaß macht«, äußerte sich Exnationaltorwart Oliver Kahn in einem Interview der Abendzeitung. 51
ARD-Moderator Michael Antwerpes kommentierte: »Fußball-WM der Frauen ist, wenn man trotzdem Spaß hat.« 52
Aber auch Frauen machten öffentlich Witze über die Frauen auf dem Rasen, ein Armutszeugnis über ihr eigenes Selbstbewusstsein. So versuchte die Comedian Caroline Kebekus im Vorfeld der Fußball-WM, sich auf Kosten der Fußballerinnen ein paar Lacher zu sichern. Der Frauenfußball sei uninteressant, das merke man daran, dass die Stadien und auch die Presseplätze leer seien, Fußballerinnen seien unweiblich, kein Mann werde in die Kabine kommen. 53 | 111 |
Interview mit der ehemaligen Fußball-Nationalspielerin Steffi Jones über Fußball und Mädchen
Steffi Jones
hat 31 Jahre lang Fußball gespielt, spielte 16 Jahre lang in der Bundesliga, war von 2008 bis 2011 Präsidentin des Organisationskomitees für die Frauenfußball-WM 2011 und ist heute Direktorin beim Deutschen Fußballbund (DFB). Dort ist sie für den Frauen- und Mädchenfußball zuständig.
Wie sind Sie zum Fußball gekommen?
Erst mal durch meinen drei Jahre älteren Bruder und dann durch die Jungen im Kindergarten. Mit denen hab ich, seit ich vier Jahre alt war, auf dem Fußballplatz gespielt und in diesem Alter bin ich auch direkt in einen Verein gekommen, zum SV Bonames. Da habe ich bis zur C-Jugend als einziges Mädchen zehn Jahre lang in der männlichen Jugendmannschaft gespielt.
Wie war das für Sie, als einziges Mädchen?
Das war für mich normal. Meine Mutter fand es nicht so gut. Sie fand, dass Fußball eine Sportart ist, die nur Jungs ausüben sollten. Bis ich dann in eine Frauenmannschaft gewechselt bin, | 112 | hat meine Mutter gar nicht gewusst, dass Frauenfußball überhaupt existiert.
Was hätte Ihre Mutter lieber gesehen, dass Sie machen?
Das war zur Zeit von Boris Becker und Steffi Graf und meine Mutter wollte gern, dass ich Tennis spiele. Das habe ich auch gemacht, aber Fußball hat mir mehr Spaß gemacht.
Was hat Sie fasziniert am Fußball?
Mir hat es gut gefallen, dass es ein Mannschaftssport ist. Man spielt gemeinsam auf einen Sieg. Wenn eine mal ausfällt, können die anderen das kompensieren.
Hat sich die Haltung Ihrer Mutter gewandelt?
Ja, sie hat dann ja irgendwann mitbekommen, dass Frauenfußballmannschaften existieren. Sie hat gemerkt, dass das toll für mich ist, dort zu spielen, dass man dort auch soziale Kompetenzen lernt und geistig reift, und sie hat gemerkt, dass ich in der Schule gut bin.
Wer hat Sie unterstützt?
Mein älterer Bruder natürlich. Er war sehr stolz auf mich und mein jüngerer Bruder ist auch
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