Das Mädchen-Buch
dann können sie sich einmischen – nachdem sie vorher überlegt haben: »Was stört mich eigentlich und warum ist das so?«, »Wie ist meine Haltung?«, »Schwingt neben meiner Sorge um meine Tochter auch ein Funken Neid mit?«, »Jetzt gehört meine Tochter zu den schönen jungen Frauen, die die Männer angucken?« Oder muss der Vater zähneknirschend feststellen: »Papas Liebling wird jetzt zur Frau.« Einmischen ist erlaubt, um die Sorge klarzumachen: »Du möchtest ausprobieren, aber du übersiehst, wie du auf manche Männer wirkst.« Ein kurzer Rock und ein zu knappes Oberteil fordern blöde Anmache heraus, auch wenn das nicht beabsichtigt ist.
Mädchenliebe
Wenn Sie sich vorstellen, wie unsicher und empfindlich junge Mädchen sind, wenn sie sich in einen Jungen verlieben, wenn sie erste sexuelle Erfahrungen machen, können Sie ermessen, wie unsicher sie erst sind, wenn sie ahnen, dass sie vielleicht Mädchen lieben – und zwar mehr als die beste Freundin, beziehungsweise anders. Lesbisch sein oder lesbisch werden, für diese Lebensweise gibt es für die meisten jungen Mädchen wenige Vorbilder. Wie geht das jetzt? Und was sagen die anderen? Wie gesteh ich meine Liebe? Und: Bleiben meine Freunde dann noch meine Freunde? Diese zum Teil bangen Fragen entstehen noch zusätzlich zur Unsicherheit, die jede erste Liebe begleitet. Die 22-jährige Nicole erinnert sich daran, wie es war, als sie feststellte, dass sie in ein Mädchen verliebt war:
»Es war erst mal total verwirrend, weil ich nicht wusste, was das jetzt soll mit meinen Gefühlen, ob das jetzt einfach nur Freundschaft ist oder wirklich Liebe, das muss man | 232 | erst mal herausfinden, beim ersten Mal, na ja, auf jeden Fall Durcheinander.«
NICOLE, 22 JAHRE
Wir hatten in einer Mädchengruppe ein Mädchen, von der wir wussten, dass sie über zwei Jahre richtig verliebt in ein anderes Mädchen war, nicht wie unter besten Freundinnen, sondern zärtlich, körperlich. Als Eva in der Gruppe anfing, davon zu erzählen, wurde das schnell abgewehrt von einer anderen: »Lesbisch, Iiehh.« Obwohl wir versucht haben, das Thema auf eine größere Plattform zu stellen und allgemein darüber zu sprechen, wie es ist, anders zu sein, hat Eva sich nicht wieder getraut, davon zu reden. Wie wäre Ihre Haltung dazu?
Die meisten Eltern stellen es sich auch anders vor. Sie wollen ein Mädchen wie die anderen auch, eine, die begehrt wird von Jungen, eine, die man vorzeigen kann, ohne bei anderen auf Vorbehalte zu stoßen. Vielleicht fragen sie sich auch, was sie »falsch« gemacht haben, dass ihre Tochter nicht »normal« ist. Vielleicht haben sie Schuldgefühle. Und was entsteht daraus? Wenn wir mitbekommen, dass unsere Tochter lesbisch ist, und wenn wir dann Luft holen müssen und uns das eher fremd ist, ist das absolut o. k. Dieser Gedanke ist für uns vielleicht auch neu und wir müssen uns damit vertraut machen. Das sollten wir auch wahrnehmen. »Politische Korrektheit«, die nur im Kopf passiert, aber im Herzen nicht ankommt, ist nicht langfristig hilfreich. Wichtig ist, dass wir uns unsere Haltung ehrlich vor Augen führen und uns damit auseinandersetzen und dass wir alles daransetzen, damit zurechtzukommen. Ein klares Signal an unsere Tochter, dass sie selbstverständlich weiter unsere geliebte Tochter ist, für die wir uns vor allem wünschen, dass sie glücklich wird, wird ihr helfen, ihre eigene Verwirrung und Unsicherheit zu überwinden. Das ist für die meisten Eltern ein längerer Prozess und das ist o. k. Aber sie müssen sich auf den | 233 | Weg machen, wenn sie ihre Tochter nicht verlieren wollen. Sie hat es möglicherweise schwer genug.
»Böse« Krankheit: HPV
Seit einigen Jahren wird von der ständigen Impfkommission in Deutschland für junge Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren die HPV-Impfung empfohlen. HPV, das bedeutet Humanes Papilloma Virus. Dieses Virus wird beim Geschlechtsverkehr übertragen und einige der über 100 HPV-Typen können Gebärmutterhalskrebs auslösen. Die Impfung besteht aus drei Spritzen in den Oberarm im Abstand von ein bis zwei Monaten und einem halben Jahr. Manchmal wirkt der Impfschutz schon nach der zweiten Impfung, als zuverlässig gilt er aber erst vier Wochen nach der dritten. Bedingung für die erfolgreiche Wirkung ist: Geimpft werden muss vor dem ersten Geschlechtsverkehr.
Als der Impfstoff auf den Markt kam, war Jana 13. Wir Eltern mit Töchtern dieses Alters haben uns viele Gedanken darüber gemacht, ob wir unsere
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